Dieses Interview mit Denis Möller von WetterOnline ist im Mai 2021 in der fünften Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom erschienen.

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In mehr als 30 Ländern ist WetterOnline aktiv. Das internationale Team mit rund 150 Mitarbeitenden macht nicht nur Wettervorhersagen, sondern auch schon mal „Wettertainment pur“ und nutzt User-generated Content. Wie das ohne Chef*in vom Dienst gelingt, erklärt Denis Möller, Head of Newsroom International, im Interview.

Denis Möller bei einer Moderation für WetterOnline mit Mikrofon auf einer Wiese
„Ich liebe das Wetter", sagt Denis Möller. Schon als Jugendlicher stellte er eine eigene Wetterstation auf, gewann 2006 bei „Jugend forscht“, studierte dann Geografie und Meteorologie, baute in Kanada eine Firma für Imkereibedarf auf und schloss sich 2011 der WetterOnline-Redaktion an. Heute leitet Möller als Head of Newsroom International die redaktionellen Aktivitäten in mehr als einem Dutzend Ländern.

Der Content – Wetternachrichten und mehr – steht bei WetterOnline im Zentrum des Leistungsportfolios. Ist das der größte Unterschied zu anderen Unternehmen, die in ihrem Corporate Newsroom Content vor allem deswegen produzieren, um damit auf ihre Produkte aufmerksam zu machen?

Denis Möller: Ja und nein. Die mit Abstand häufigsten Aufrufe erhalten tatsächlich unsere automatisch produzierten Wettervorhersagen für fast jeden Ort. Die Menschen wollen als erstes wissen: Wie wird das Wetter bei mir? Mit unseren redaktionellen Inhalten werten wir das Angebot auf und verlängern den Aufenthalt der Nutzer*innen. Auf der anderen Seite betreiben wir aber auch klassisches Content-Marketing. Wir machen mit hochwertigen Texten und Videos Nutzer*innen von Google, den Social-Media-Plattformen und durch PR von anderen Medienseiten auf WetterOnline aufmerksam. Und das ist ebenfalls sehr wichtig für den Erfolg von WetterOnline.

War das von vornherein das Geschäftsmodell?

Den Anfang machte unser Gründer im Jahr 1996 mit aktuellen Wettermeldungen über Bildschirmtext – kurz Btx. Das Internet machte Btx dann aber schnell vergessen und es war auch klar, dass dort mit Werbung Geld verdient werden kann. Die Domain www.wetteronline.de war sehr gut und hatte schnell hohe Aufrufzahlen. Es wurde eine Redaktion ins Leben gerufen und es wurden Ortsvorhersagen, Wetterberichte sowie eine Startseite als Einstieg und Schaufenster für weitere Produkte etabliert. 

Überblick über verschiedene Funktionen der Smartphone-App von WetterOnline
Die WetterOnline-App ist auf Millionen von Smartphones installiert. Das Unternehmen bietet darüber aber auch weitere Dienstleistungen an.

Sehen Sie sich selbst eher als journalistische Redaktion oder als Corporate Newsroom?

Als wir mit Wetternachrichten vor 20 Jahren angefangen haben, kannte noch niemand das Wort Content-Marketing. Wir haben intuitiv das Richtige gemacht. Es war die logische Konsequenz, die noch nicht so guten automatischen Wettervorhersagen für einzelne Orte mit der Einschätzung von Expert*innen zu begleiten. Schon damals war uns wichtig, mit Links auf der Startseite auf das breite Spektrum der Informationen auf unserer Website zu verweisen. Heute sind uns die Vorteile von Content-Marketing natürlich bewusst. Wir verstehen uns dennoch mehr als Wetterredakteur*innen denn als Content-Manager*innen. Wir wollen in erster Linie ein gutes journalistisches Angebot mit großem meteorologischem Know-how liefern.

Viele Leser*innen werden sich über Ihre Website schon einmal über das Wetter informiert oder sogar die App installiert haben. Die Wettervorhersage ist aber nicht Ihre einzige Dienstleistung. Beschreiben Sie doch bitte kurz das Leistungsspektrum der WetterOnline Meteorologische Dienstleistungen GmbH.

Die Website und unsere App sind mit Abstand unsere meistgenutzten Angebote. Die App gibt es in 30 weiteren Ländern, 15 davon haben auch einen Wetter-Ticker und weitere 10 Social-Media-Auftritte. Wir bieten mittlerweile auch Hardware an: die WLAN-Wetterstation wetteronline home, die unsere digitalen Angebote in die Wohnzimmer unserer Nutzer*innen bringt. So hat man das Wetter jederzeit im Blick, ohne Smartphone oder Laptop hervorholen zu müssen. Man kann auch mit uns sprechen – über Alexa und den Google Assistant. Über unsere API stellen wir die Wetterinformationen vielen anderen Webseiten und Firmen zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir auch Geschäftskund*innen, für die wir maßgeschneiderte Wetterdienstleistungen anbieten.

Zitat von Denis Möller: Jeder Newsroom ist anders. Wir mussten unseren eigenen Weg finden.

Wie sieht die Struktur des Newsrooms aus?

Im Zuge der Einführung von dirico im Herbst 2020 verschmolzen Wetterredaktion und Unternehmenskommunikation zum Newsroom für Deutschland. Für unsere Auftritte in anderen Ländern ist die Abteilung Internationalisierung zuständig. Sie ist ebenfalls Teil des Newsrooms und ihr Schwerpunkt liegt stärker auf Marketing und ASO, also App Store Optimization. Hinzu kommt eine kleine, eigenständige Marketing-Abteilung. Insgesamt arbeiten bei WetterOnline 150 Personen, rund 50 davon in den genannten Abteilungen. Hinzu kommen Freelancer*innen und Agenturen. Somit arbeiten etwa 80 Personen gemeinsam an unserem Content, die über dirico als Kollaborationsplattform miteinander verbunden sind.

Welche Berufsprofile zeichnen die Mitarbeitenden im Newsroom aus?

Das sind vor allem Wetterredakteur*innen, die meist Meteorologie studiert haben. Im internationalen Newsroom arbeiten Menschen aus aller Welt, da wir in jedem Land Muttersprachler*innen brauchen. Sie haben zumeist einen Marketing- oder Kommunikationshintergrund, sind SEO-Expert*innen oder Social-Media-Manager*innen.

Gab es Vorbilder, an denen Sie sich bei der Einführung orientiert haben?

Jeder Newsroom ist anders. Wir haben viel gelesen und uns inspirieren lassen. Aber da wir weder eine klassische News-Redaktion noch eine Corporate-Communications-Abteilung sind, mussten wir einen eigenen Weg finden. Wir haben zum Beispiel keinen Chef vom Dienst. Wir wollten keine strengen Hierarchien einführen. Die diensthabenden Mitarbeitenden treffen Entscheidungen im Team und erteilen sich gegenseitig Freigaben. Auch die Länder-Teams entscheiden autark. Es macht wenig Sinn, dass ein indischer Kollege in Bonn nachfragt, ob er den Post auf Hindi so veröffentlichen darf. 

Gebäude von WetterOnline in Bonn
Der Hauptsitz von WetterOnline in Bonn.

Wer entscheidet, welcher Content produziert und in den Redaktionskalender aufgenommen werden soll?

Wir sind ziemlich kurzfristig unterwegs. Wir haben zwar auch Evergreen-Content, den wir jederzeit bringen können – ein Wetterlexikon, Erklärvideos, Beiträge zu den Themen Gesundheit, Freizeit, Reisen und so weiter. Aber der Großteil sind aktuelle Nachrichten. Wenn die Meldung über ein Erdbeben in Griechenland reinkommt, wird sie sofort umgesetzt und nach wenigen Minuten gebracht. Ideen und absehbare Themen können alle in den Themenplan eintragen – beispielsweise, dass am kommenden Tag schwere Unwetter in Italien erwartet werden. Der oder die Redakteur*in, der oder die am nächsten Morgen den Ticker betreut, entscheidet dann, ob dazu etwas geschrieben werden soll – und fungiert somit gewissermaßen als Chef*in vom Dienst. 

Ein großer Unterschied zu vielen Corporate Newsrooms, in denen die meisten Themen vorgeplant werden.

Genau. Unser Evergreen-Content wird vor allem dann gespielt, wenn das Wetter langweilig und die Themenlage mau ist.

Gibt es in den Ländern jeweils eigene Redaktionen?

Das ist ganz unterschiedlich. Unsere Schwester-Unternehmen in den USA und Großbritannien bauen gerade Redaktionen auf. Einige Länder werden von Freelancer*innen betreut, andere von Agenturen, einige aus unserem Büro in Bonn und bei wieder anderen ist es eine Mischung daraus.

Wie organisieren Sie die länderübergreifende Kollaboration?

Mit dirico. Jedes Land arbeitet recht autark. Es gilt aber die Regel, dass der Titel eines jeden im Tool angelegten Inhalts auf Englisch verfasst sein muss, damit alle wissen, worüber in den einzelnen Ländern berichtet wird. Wenn jemand ein für alle relevantes Thema bearbeitet, setzt er oder sie das Schlagwort „International“, sodass es alle in der Liste mit den internationalen Themenvorschlägen sehen können. So verhindern wir, dass sich zwei Länder auf das gleiche große internationale Wetterthema stürzen, wie beispielsweise den nächsten Super-Hurrikan in den USA. Über CrowdTangle erhalten wir Benachrichtigungen, wenn ein Social-Media-Post viral geht. Das kann eine Anregung für andere Länder sein, den Beitrag zu übersetzen und selbst zu bringen.

„Wir setzen stark auf Videos – mit Moderation aus dem Off oder vor der Kamera, live aus spannenden Wetterlagen oder als für Facebook optimiertes Kurzvideo.“

Denis Möller, WetterOnline

Welche Kanäle und Plattformen bedienen Sie?

Facebook ist immer der erste Social-Media-Account, der in einem neuen Land eingerichtet wird. Teilweise betreiben wir eigene Facebook-Gruppen. Instagram, YouTube und Twitter werden je nach Marktlage auch in einigen Ländern bedient, LinkedIn, XING und Pinterest nur in Deutschland. Auf TikTok testen wir Werbekampagnen. 

Welche sind am erfolgreichsten?

Facebook ist nach wie vor der beste Kanal, um neue Nutzer*innen zu erreichen. Dass dort der Altersdurchschnitt immer weiter ansteigt, ist kein Problem. Ältere Menschen sind ohnehin eher unsere Zielgruppe, da sie einfach wetterinteressierter sind.

Welche Formate kommen besonders gut an?

Die Live-Videos unseres preisgekrönten Wetter-Reporters Marco Kaschuba aus Extremwetter aller Art gehen regelmäßig viral. Das ist teilweise „Wetter-tainment“ pur, teilweise Berichterstattung mit hoher Relevanz für viele Menschen. Wenn er im August in einem Schneesturm auf der Zugspitze steht oder ein Gewitter jagt, kommt das unglaublich gut an. Wir setzen neben unserem WetterTicker sehr stark auf Videos – mit Moderation aus dem Off oder vor der Kamera, live aus spannenden Wetterlagen oder als für Facebook optimiertes Kurzvideo mit Untertiteln.

Sie setzen auch auf User-generated Content, kurz UGC. Wie gehen Sie dabei vor?

Wir haben seit vielen Jahren einen Uploader. Dort können User*innen ihre Wetterbilder hochladen. Pro Jahr kommen über 10.000 Bilder zusammen. Früher – als Foren noch angesagt waren – gab es ein Bilderforum, heute eine gut laufende WetterMelder-Gruppe bei Facebook. Von dieser gibt es schon Kopien in mehreren Ländern. Bei besonderen Wetterlagen wie dem ersten Schnee im Flachland rufen wir gezielt dazu auf, uns Bilder zu schicken und stellen Bildergalerien zusammen. 

Nach welchen Kriterien wählen Sie den UGC aus? 

Entweder nach ästhetischen oder nach journalistischen Gesichtspunkten. Das kommt auf das Thema an. Beim Sonnenuntergang zählt nur die Schönheit, bei Schnee vor allem die Region – Schnee in Köln ist interessanter als Schnee im Sauerland. Und bei Hagel kommt es nur auf die Größe an. Ein Bild von einem faustgroßen Hagelkorn darf sogar unscharf sein.

Haben Sie Empfehlungen für andere Newsrooms, die verstärkt UGC einbinden möchten?

Facebook-Gruppen funktionieren sehr gut. Man braucht zum Start ein paar „Powernutzer“. Es lohnt sich, diese gezielt anzufragen. In unserem Fall haben wir Landschaftsfotograf*innen, die uns bereits Bilder geschickt hatten, gebeten, diese in Zukunft in die Gruppe einzustellen. Ein Budget mussten wir nicht einplanen. Viele Menschen sind froh, ihre Wetter- und Landschaftsbilder präsentieren zu können. Aber natürlich hat nicht jedes Unternehmen ein so dankbares „Foto-Thema“ wie wir.

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