Wie würden Sie Ihren Job als Chef vom Dienst in einem Satz beschreiben?

Daniel Schnettler: Der CvD ist der Kümmerer im Newsroom, der den Überblick behält und dafür sorgt, dass alle Kommunikationsmaßnahmen zur rechten Zeit am rechten Fleck auftauchen.

Wie sieht Ihr klassischer Tagesablauf aus?

Der Tag beginnt in der Regel damit, dass ich mir anschaue, wie wir in der Medienlandschaft aufgestellt sind. Das gilt sowohl für die internen als auch die externen Kanäle: Wie sieht unsere Intranetseite aus? Sind alle geplanten Geschichten online? Gibt es erste Kommentare von Lesern?

Ein Blick in den Medienspiegel ist Pflicht, um zu ermitteln, ob wir aktuelle Themen im Laufe des Tages aufgreifen müssen. Diese Information nehme ich in unsere Morgenrunde um 9.30 Uhr mit. Dort besprechen wir, welche Geschichten wir an diesem Tag anpacken und ob es etwas gibt, das wir sehr schnell umsetzen müssen. Ein Beispiel für uns als Versicherer wäre ein Sturm, der durchs Land zieht.

Anschließend findet viel inhaltliche und technische Projektarbeit statt. Am Nachmittag geht es darum, die Startseite des Intranets für den nächsten Tag zu bestücken.

Schnettler Daniel
Daniel Schnettler studierte Geschichts-, Politik- & Medienwissenschaften, war Redakteur beim Handelsblatt, Korrespondent der dpa in New York, Nachrichtenchef & Chefreporter bei dpa-AFX und Chefredakteur bei Mediamoss. Heute ist er CvD im Newsroom der R+V Versicherung.

Wie viele Personen koordinieren Sie im Newsroom?

Mit der Themen- und Medienarbeit, das heißt mit der Content-Erstellung und der Distribution auf unseren Kanälen, sind bei uns rund ein Dutzend Personen beschäftigt. Außerdem gibt es weitere Kolleginnen und Kollegen, die sich etwa mit der Medienanalyse beschäftigen oder die Geschäftszahlen für den Vorstand aufbereiten. 

„Der CvD darf nicht zum Flaschenhals werden“

Daniel Schnettler

Ist der CvD ein Full-Time-Job oder eine Aufgabe, die man „nebenher“ erledigen kann? 

Ab einer bestimmten Größe der Kommunikationsabteilung ist es definitiv ein Full-Time-Job. In meiner journalistischen Laufbahn, in der ich zuletzt gleichzeitig Nachrichtenchef und Chefreporter bei dpa-AFX war, habe ich festgestellt, dass es nicht funktioniert, diese beiden Jobs zeitgleich auszuführen. Entweder schreibe ich eine Geschichte und knie mich richtig tief in das Thema hinein oder ich koordiniere und redigiere Texte. Beides zusammen funktioniert nur sehr bedingt. Letztlich leiden beide Bereiche darunter. Aber dafür ist der Job des CvD viel zu wichtig.

Sie fungieren also nicht zusätzlich als Pressesprecher?

Ich bin kein Pressesprecher. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch mit Journalisten spreche. Aus meiner journalistischen Laufbahn habe ich natürlich viele Kontakte. Es freut mich, wenn ich hin und wieder einen Artikel schreiben, ein Video drehen oder einen Podcast aufnehmen kann. Die Freude am Kommunizieren ist schließlich der Grund, warum wir uns alle für einen Job in der Kommunikation entschieden haben. Diese Arbeit sollte aber die Ausnahme bleiben. Denn die Zeit, die ich für das Erstellen von Inhalten aufbringen müsste, benötige ich für den Überblick über das Gesamtprodukt. 

In Zeitungs- oder Rundfunkredaktionen rotiert die Rolle des CvD häufig. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Ich bin hauptamtlicher CvD. Es gibt natürlich einen Stellvertreter – ich darf also auch mal krank werden, Urlaub nehmen oder auf Dienstreise gehen. Der Abteilungsleiter kann im Notfall ebenfalls einspringen. Da wir keinen 24/7-Dienst fahren, muss es nicht mehrere CvDs geben. Unsere vergleichsweise humanen Bürozeiten sind der große Unterschied zum Journalismus, wo mehrere Schichten abgedeckt werden müssen.

Gehen alle Beiträge zur Freigabe über Ihren Tisch oder handeln die Themen- und Medienmanager eigenverantwortlich?

Im besten Fall sollten alle Inhalte über den Tisch des CvD gehen, damit wir mit einer Stimme kommunizieren. Wenn Dinge schnell entschieden werden müssen und mein Stellvertreter oder ich gerade nicht greifbar sind, können natürlich auch alle anderen Kollegen Inhalte veröffentlichen. Es handelt sich schließlich um gestandene Kommunikatoren. Der CvD darf nicht zum Flaschenhals werden. Es darf nicht passieren, dass so viel auf meinem Tisch liegt, dass wir mit der Veröffentlichung nicht hinterherkommen. Wir müssen flexibel bleiben. Aber: Es gilt ausnahmslos ein Vier-Augen-Prinzip. Meist sind es sogar sechs oder acht Augen, die im Laufe eines Produktionsprozesses den Text, das Video oder den Podcast geprüft haben. Es verlassen keine Inhalte die Konzernkommunikation der R+V ohne Qualitätskontrolle.

„Es geht weniger um die Raumgestaltung als um die richtige Geisteshaltung“

Daniel Schnettler, R+V

Wer hat das letzte Wort, wenn es unterschiedliche Meinungen dazu gibt, ob ein Thema gespielt werden soll oder nicht?

Es gibt eine wöchentliche Themenkonferenz. In der Regel stellen wir dort einen Konsens her, ob und in welchem Umfang ein Thema behandelt wird. Im Zweifel entscheiden der Abteilungsleiter oder der CvD und haben auch das Recht, Maßnahmen zu stoppen oder andere Themen zu priorisieren. Es kann nicht immer basisdemokratisch entschieden werden.

Sie haben – was in der Unternehmenskommunikation ja nicht selten ist – zuvor als Journalist und Korrespondent, unter anderem für das Handelsblatt und die dpa, gearbeitet. Denken Sie, dass ein CvD zwingend eine journalistische Ausbildung genossen haben sollte?

Zwingend nötig ist sie nicht. Aber sie hilft, weil man als Journalist mit der Rolle des CvD vertraut ist. Das ist in Pressestellen alter Couleur anders. Dort existiert dieses Jobprofil in der Regel nicht. Die Kolleginnen und Kollegen müssen zunächst lernen, was die Aufgaben eines CvD sind. Er ist zum Beispiel nur fach- und nicht disziplinarisch verantwortlich. Für letzteres sind Abteilungs- und Bereichsleiter zuständig. Ein anderer wichtiger Aspekt ist das Themenverständnis. Dafür muss man nicht aus dem Journalismus kommen, aber es hilft ungemein. In meiner Zeit als Online- und dann NachrichtenagenturJournalist habe ich ein Gespür dafür entwickelt, was eine gute Geschichte ist und wie man sie aufziehen muss, damit sie beim Publikum ankommt. Kollegen, die aus der Konzernkommunikation kommen, sind natürlich in den Unternehmensthemen erst einmal viel tiefer drin und haben ein größeres Netzwerk im Haus, auf das sie zurückgreifen können.

Welche Eigenschaften und Fähigkeiten muss ein CvD in einem Corporate Newsroom haben?

Geduld ist eine wichtige Eigenschaft. In Konzernen laufen die Dinge langsamer als in Medienredaktionen. Ein CvD muss außerdem Überzeugungsfähigkeit besitzen. Und Fachwissen muss vorhanden sein – sowohl auf der sprachlichen als auch auf der fachlichen Ebene. Ich bin kein Versicherungsjournalist, aber ich kenne mich als ehemaliger Bankenreporter in der Finanzbranche sehr gut aus. Das schafft Akzeptanz bei den Kolleginnen und Kollegen aus den Fachabteilungen.

Wie stark setzen Sie sich mit den jeweiligen Themen auseinander?

Da geht es dem CvD im Unternehmen nicht anders als dem im Journalismus. Die Fachredakteure, Pressesprecher und Themenmanager sind natürlich viel tiefer drin in ihren jeweiligen Themen. Mit einem Kollegen, der tagaus, tagein und das seit Jahren über Lebensversicherungen schreibt, kann ich inhaltlich nicht mithalten. Als CvD brauche ich aber ein grundlegendes Verständnis der Themen, muss Sachverhalte verknüpfen können, den Kern der Geschichte erkennen und das große Ganze im Blick behalten. Ich bin als CvD der erste Anwalt des Lesers – wenn ich etwas nicht verstehe, dann versteht es der Leser in der Regel auch nicht. An dieser Stelle muss ich nachhaken und die richtigen Fragen stellen.

Wie bereitet man sich auf die Rolle als CvD im Newsroom vor?

Es hilft natürlich sehr, wenn man die Rolle bereits im Journalismus bekleidet hat. Für Quer- und Neueinsteiger gibt es Seminare, zum Beispiel bei der Agentur Mediamoss, in denen die Grundlagen für die Rolle des CvD im Newsroom gelehrt werden. Außerdem helfen Seminare, in denen man lernt, wie man Menschen fachlich führt und überzeugt, ohne über disziplinarische Kompetenzen zu verfügen.

Sie haben keinen physischen Newsroom in Form eines Großraumbüros. Ist das ein Nachteil?

Ich würde zwar lieber in einem Großraumbüro sitzen, weil ich das aus meiner gesamten bisherigen Berufslaufbahn auch so kenne, aber es funktioniert auch so. Am Ende des Tages geht es weniger um die Raumgestaltung als um die richtige Geisteshaltung. Man muss bereit sein, mit den Kolleginnen und Kollegen zusammen an einem Kommunikationsprodukt zu arbeiten. Teamarbeit ist das A und O.

Es gibt viele Argumente, die für einen Newsroom sprechen. Was ist Ihrer Meinung nach der größte Vorteil gegenüber einer klassischen Organisation?

Die ersparte Doppelarbeit. Ein Kollege erstellt ja am Ende den Inhalt für alle Medien und Kanäle. Verantwortungen und Rollen sind klar geregelt, was jede Menge Frust auch bei den Fachabteilungen vermeidet, denn die haben für eine Geschichte nur noch einen Ansprechpartner. Vorhandene Inhalte können dank klarer Prozesse einfacher für neue Medien und Kanäle aufbereitet werden. Außerdem kann ich sehr schnell reagieren bei Sonderlagen, indem ich Thementeams bilde. So handhaben wir das bei der R+V gerade in der Coronakrise.


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