Drei Monate nach Beginn meiner neuen Stelle: Mein Chef fragte, ob ich einen Vortrag auf einer Branchenveranstaltung halten könnte.

Er war begeistert.

„Sie werden die Firma repräsentieren. Das wird großartig!“

„Okay, sicher“, sagte ich.

Ich war mir nicht sicher. Ganz im Gegenteil. Unsicherheit machte sich in mir breit.

„Wie viele Leute werden dort sein?“, fragte ich.

„Etwa 250.“

Ich schluckte.

Das sind 250 Leute, die mich beurteilen und mein Fachwissen in Frage stellen könnten. Hatte ich es wirklich verdient, dabei zu sein? Gab es nicht andere Leute in meiner Organisation, die mehr Erfahrung hatten und stattdessen sprechen sollten?

Diese Gedanken der Selbstzweifel waren nicht neu. Sie hatten sich schon viele Male zuvor eingeschlichen, sogar bevor ich meine Kommunikationskarriere begann, sodass ich die Ursache sofort erkannte:

Das Hochstapler-Syndrom.

Mensch mit Hochstapler-Syndrom

Das Hochstapler-Syndrom, auch bekannt als Impostor-Syndrom, ist ein psychologisches Muster, bei dem eine Person ihre Fähigkeiten, Talente oder Qualifikationen in Frage stellt und Angst hat, als „Betrüger*in“ entlarvt zu werden. Oft zweifeln Menschen, die unter dem Hochstapler-Syndrom leiden, an ihren Leistungen und sind davon überzeugt, dass sie nur durch Glück zurechtkommen – und nicht durch die harte Arbeit, die sie geleistet haben.

Haben Sie diesen Gedanken schon einmal erlebt? Sie sind nicht allein.

Nahezu jeder Kommunikationsprofi wird irgendwann in seiner Laufbahn mit dem Hochstapler-Syndrom konfrontiert.

Das liegt daran, dass Kommunikator*innen oft in neue Situationen hineingeworfen werden, ob nun als schreibende, repräsentierende, trainierende Kraft oder manchmal auch alles in einem.

Und egal, wie selbstbewusst Sie nach außen auftreten, das Hochstapler-Syndrom kann immer wieder auftauchen und Ihr Selbstvertrauen von innen heraus zerstören. Wenn es nicht angegangen wird, kann es langfristig negative Auswirkungen auf Ihre psychische Gesundheit und Ihr Wohlbefinden haben.

Aber Sie können es auch besiegen. 

Wir haben mit internen Kommunikator*innen gesprochen, die wissen, wie es ist, sich als hochstapelnde Person zu fühlen.

Hier sind ihre Ratschläge, wie man das Impostor-Syndrom in drei Schritten zähmen und überwinden kann:

1. Erkennen Sie Ihren inneren Kritiker an.

Es ist nicht immer absehbar, wann das Hochstapler-Syndrom auftritt.

Dieses betrügerische Gefühl könnte sich vor jeder großen Veranstaltung oder Rede einschleichen. Es kann aber auch auftauchen, wenn Ihnen ein Platz am Führungstisch zugewiesen wird oder Sie aufgefordert werden, in einer Krise vor der gesamten Organisation zu sprechen.

Es kann auch schwer zu erkennen sein. Manchmal bemerkt man es erst, wenn man sich bereits ängstlich, besiegt oder ausgebrannt fühlt.

Advita Patel, Direktorin von Comms Rebel, erzählte uns von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Hochstapler-Syndrom:

Das Hochstapler-Syndrom tritt auf, wenn man die Fähigkeiten und das Talent hat, aber einfach nicht an seinen eigenen Wert glaubt. Normalerweise weiß man, wie man seine Rolle auszuführen hat und normalerweise hat man auch die Fähigkeiten dazu, aber der eigene innere Hochstapler sagt einem, dass man es nicht kann.“

Advita Patel

Advita wies auch darauf hin, dass viele interne Kommunikator*innen vom Impostor-Syndrom betroffen sind, weil sie zu hohe Erwartungen an sich selbst stellen.

Da Führungskräfte mehr und mehr die Bedeutung von interner Kommunikation realisieren, werden Kommunikationsfachleute immer öfter auch in Führungssitzungen einbezogen. Dies führt dazu, dass interne Kommunikator*innen zusätzlichen Erfolgsdruck verspüren. Sie werden anfälliger für das Hochstapler-Syndrom.

Um dieses Gefühl zu besiegen, bevor es Überhand nimmt, ermutigt Advita interne Kommunikator*innen, ihren inneren Kritiker anzuerkennen:

Interne Kommunikator*innen kennen die Organisation. Sie sind ziemlich kompetent. Aber plötzlich stehen sie aufgrund der Aufmerksamkeit [der Führungsebene] im Rampenlicht. Sie fragen sich: ‘Oh mein Gott, ich weiß nicht, wie ich das machen soll. Kenne ich die Antworten?’ Und sie stellen oft ihr Selbstwertgefühl in Frage.

Erlauben Sie sich also zu verstehen, was das Hochstapler-Syndrom ist und seien Sie nicht zu hart zu sich selbst.“

Ich kann Advitas Punkt nicht genug betonen: Seien Sie nicht zu hart zu sich selbst.

Wenn Sie das Hochstapler-Syndrom erkennen, wird es Ihnen leichter fallen, mit Freund*innen und Kolleg*innen über Ihre Selbstzweifel zu sprechen.

Und wissen Sie was?

Es ist wahrscheinlich, dass sie auch mit dem Hochstapler-Syndrom zu kämpfen hatten und einige Tipps und Tricks parat haben.

2. Suchen Sie sich ein unterstützendes Netzwerk gegen Ihr Hochstapler-Syndrom. 

Als ich mich auf die große Präsentation vorbereitete, wusste ich, dass das Hochstapler-Syndrom die Ursache für all meine Selbstzweifel und negativen Gedanken war, aber ich konnte es trotzdem nicht abschütteln.

Ich benötigte Unterstützung.

Also wandte ich mich an eine enge Gruppe von Kolleg*innen aus der Kommunikationsbranche, um mehr über ihre Sichtweise hinsichtlich des Impostor-Syndroms zu erfahren.

Ich war ehrlich und erzählte ihnen von meiner größten Angst: dass sich während der Präsentation ein negativer Gedanke in meinen Kopf schleichen und die ganze Sache aus der Bahn geraten könnte.

Meine Kolleg*innen waren sehr aufgeschlossen und erzählten von ihren eigenen Erfahrungen mit dem Hochstapler-Syndrom.

Diese Gespräche halfen mir zu erkennen, dass es für Kommunikator*innen – egal in welchem Stadium ihrer Karriere – ganz normal ist, ihren Selbstwert und ihre Kompetenz in Frage zu stellen.

Mir wurde auch klar, dass dieses soziale Netzwerk für Kommunikation mir den Rücken stärkt.

Für Jenni Field, Direktorin von Redefining Communications, hat die Suche nach Unterstützung den entscheidenden Unterschied gemacht, um ihr eigenes Impostor-Syndrom in den Griff zu bekommen:

Wir alle werden dieses Hochstapler-Gefühl bekommen. Für mich geht es darum, Menschen zu finden, mit denen ich mein Denken überprüfen kann.

Denn dieses Gefühl wird immer auftauchen, und ich glaube nicht, dass es jemals aufhört. Es geht nur darum, dass man lernt, damit umzugehen und es zu erkennen, damit man sich weiterentwickeln kann.“

Jenni Field

Egal, ob es sich um eine Kolleg*in oder eine Mentor*in handelt, bauen Sie sich ein unterstützendes Netzwerk auf, innerhalb dessen Sie Ihre Erfahrungen austauschen und Feedback von Menschen erhalten können, denen Sie vertrauen und die schon einmal das Gleiche erlebt haben.

Im Gegenzug können Sie auch Ihren Kolleg*innen helfen, ihre eigenen Herausforderungen zu bewältigen.

Kim Clark, Coach für Mitarbeiterkommunikation und D&I-Expertin, ermutigt Kommunikator*innen, Peer-Support-Gruppen zu bilden:

Ich habe eine wöchentliche Selbsthilfegruppe für interne Kommunikation gegründet. Das ist ein sicherer Raum zum Reden. Und wir befassen uns [jede Woche] mit einem Thema, z. B. Burnout.

Sprechen Sie also mit Gleichgesinnten, die verstehen, was Sie durchmachen. Und kommen Sie zusammen, um sich gegenseitig zu unterstützen.“

Kim Clark

Es ist eine Erleichterung, wenn man mit jemandem reden kann, der es einfach versteht.

Und da sich unser Leben immer mehr ins Internet verlagert, gibt es immer mehr Möglichkeiten, sich mit hilfsbereiten Kommunikator*innen aus aller Welt auszutauschen.

Unsere LinkedIn-Gruppe zum Thema interne Kommunikation bietet eine tolle Möglichkeit, um mit Kommunikationsprofis Kontakte zu knüpfen, Beziehungen aufzubauen, Erfahrungen und Einblicke zur Branche auszutauschen sowie Ratschläge zu geben oder zu suchen.

Suchen Sie einfach nach dem Hashtag #internalcomms und Sie werden auf LinkedIn und Twitter eine große Gemeinschaft von Kommunikator*innen finden, die sich gerne austauschen und gegenseitig unterstützen.

Mit wem auch immer Sie sich umgeben, eine Selbsthilfegruppe wird Ihnen dabei helfen, Ihr Hochstapler-Syndrom zu zähmen.

3. Legen Sie Ihre Zweifel ab und führen Sie mit Mut.

Zwei Stunden bevor ich die Bühne betrat, schlich sich mein Hochstapler-Syndrom wieder ein.

Aber ich wusste, dass es keine Option war, den negativen Gedanken nachzugeben. Ich war entschlossen, meine Organisation zu repräsentieren, mein Führungsteam glaubte an mich und ich war zutiefst motiviert, unsere neueste Arbeit einem engagierten Publikum vorzustellen.

Ich erinnerte mich an den Rat meiner Kommunikations-Selbsthilfegruppe: Fast jeder hat Angst vor öffentlichen Auftritten – auch die selbstbewusstesten Redner.

Jason Anthoine, geschäftsführender Gründer von Audacity, empfiehlt Kommunikator*innen, ihre Selbstzweifel zu verdrängen, um dem Mut Platz zu machen:

Wir sind genauso ängstlich wie alle anderen auch. Wir sind genauso verwirrt wie alle anderen auch. Und doch müssen wir unseren gesamten Tag damit verbringen, dafür zu sorgen, dass sich unsere Mitarbeitenden nicht so fühlen. Es erfordert also eine Menge Mut, diese Gefühle zu überwinden.

Man kann diese Selbstzweifel in eine Kiste stecken. Man kann realisieren, dass man sich so fühlt und gleichzeitig seine Arbeit machen.“

Jason Anthione

Versuchen Sie nicht, Ihre Ängste schlicht loszuwerden. Stattdessen müssen Sie lernen, diese von der Aufgabe zu trennen, die als Nächstes ansteht.

Dies ist eine wichtige mentale Übung, die Ihnen helfen wird, Ihre Kommunikation mit Mut zu führen, insbesondere in Krisenzeiten.

Als interne Kommunikator*in müssen Sie ein Gefühl der Stabilität und des Vertrauens in Ihren Botschaften vermitteln. Darüber hinaus müssen Sie auch das Selbstvertrauen Ihrer Mitarbeitenden stärken, damit diese ihre Aufgaben erfüllen können.

Kristin Hancock, Expertin für Mitarbeiterengagement, schließt sich Jasons Rat an. Sie räumt ein, dass vor allem die Pandemiejahre für viele Kommunikator*innen schwierig waren.

Sie wurden in neue, unangenehme Situationen gedrängt und das bedeutet, dass sich das Gefühl des Hochstapler-Syndroms sehr schnell wieder einschleichen kann.

Kristin betont, dass wir uns in Zeiten von Selbstzweifeln daran erinnern müssen, mitfühlend zu sein:

Seien Sie freundlich zu sich selbst und zu anderen. Schenken Sie sich Mitgefühl und etwas Anerkennung. Wir alle tun unser Bestes.“

Kristin Hancock

Sie können das Hochstapler-Syndrom besiegen.

Am Ende habe ich diesen Vortrag vor 250 Leuten gehalten.

Seitdem sind vier Jahre vergangen und ich kann sagen, dass sich meine Karriere dadurch zum Positiven verändert hat. Es eröffneten sich mehr Möglichkeiten und ich konnte „öffentliches Reden“ in meinen Lebenslauf aufnehmen (wer hätte das gedacht?).

Natürlich gibt es immer noch Tage, an denen ich mich nicht so sicher fühle. Aber ich habe meine eigene Taktik entwickelt, um die motivierenden Worte meiner Comms-Selbsthilfegruppe aufrechtzuerhalten.

Wenn sich die nörgelnde Stimme des Hochstapler-Syndroms wieder meldet, nehme ich mir einen Moment Zeit, um aufzuschreiben: „Du schaffst das.“

Ich klebe diesen Zettel oder ein Stück Notizbuchpapier irgendwo hin, wo ich ihn sehen kann, um meine Gedanken auf Kurs zu halten.

Finden Sie etwas, das Ihnen hilft.

Sicher, das Hochstapler-Syndrom ist ziemlich beängstigend. Aber es ist auch eine Gelegenheit, Ihr Unterstützungssystem zu finden, über Ihre Komfortzone hinauszuwachsen und mutig zu sein.

Hier ist mein kleiner Zettel für Sie:

Notizzettel auf dem steht „Sie schaffen das"

Und denken Sie daran: Sie sind nicht allein.

Wenn es um Selbstzweifel und Ängste geht, sind Sie nicht allein.

Deshalb beleuchten wir die psychische Gesundheit in der internen Kommunikation innerhalb unseres „Summer of Self-Care“, welcher weitere Blogartikel, LinkedIn Live-Events, Diskussionen und Selbsthilfegruppen im Kanal für psychische Gesundheit der Comms-unity umfasst. 

Eine Möglichkeit, Ihr Wohlbefinden zu erhalten, ist das Konzept der Resilienz.

Ein Mann in den Bergen, der in die Ferne schaut

Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Sie Ihre Resilienz stärken können, melden Sie sich für unseren E-Mail-Kurs an.

Vier Emails. Vier Wochen. Praktische Tipps, die Sie in Ihrem Leben anwenden können.

Jede Woche werden Sie lernen:

  • wie Sie Ihre Emotionen und Reaktionen auf Stress besser verstehen können 
  • wie Sie die Quellen von Stress in Ihrem Leben erkennen können
  • wie Sie Ihre psychische Gesundheit bei der Arbeit schützen können  
  • wie Sie Resilienz üben können

Sie sind bereits zum Kurs angemeldet und möchten noch mehr zum Thema erfahren? Wo auch immer Sie sich auf Ihrem Weg zur psychischen Gesundheit befinden, setzen Sie sich mit uns in Verbindung und führen Sie das Gespräch beispielsweise in unserer LinkedIn-Gruppe fort.

Wir würden uns freuen, Ihre Gedanken zum E-Mail-Kurs zu hören! 💡