Als professionelle Kommunikatorinnen und Führungskräfte im Bereich Diversität, Gleichberechtigung und Integration (DEI) geht es Kim Clark und Janet M. Stovall vor allem um Authentizität. Als sie sich beschlossen, ein Buch zum Thema zu schreiben, scheuten sie nicht vor einem aussagekräftigen Titel zurück: The Conscious Communicator: The Fine Art of Not Saying Stupid Sh*t. („Der bewusste Kommunikator: Die hohe Kunst, keinen Sche*ßdreck zu verzapfen”)

Es ist ein dringend benötigtes Buch, ein ehrliches Gespräch und ein Appell an Kommunikator*innen, integrative Sprache und DEI in den Vordergrund zu stellen. Leider ist es bisher nur im Englischen erschienen.

Gemeinsam haben Kim und Janet einen Rahmen für Kommunikator*innen entwickelt, um DEI-Kommunikation in ihren Organisationen strategisch zu gestalten und zu leiten. Das DEPTH Model™ ist eine Blaupause, die Sie bei Gesprächen mit Führungskräften unterstützen wird, die noch zögerlich zum Thema DEI aufgestellt sind.

Das DEPTH Model™ wird Ihnen auch die Werkzeuge an die Hand geben, mit denen Sie Ihre Firma vom Erstellen nur formeller DEI-Inhalte (wie z. B. den Pride Month extern in den sozialen Medien zu feiern, aber den Rest des Jahres intern nichts zu tun), zu einem echten Ally mit sinnvollen Maßnahmen transformieren können (wie z. B. dem Aufbau einer integrativen Arbeitskultur und unterstützenden Richtlinien für Mitarbeitende).

Conscious Communicator Book
The Conscious Communicator: The Fine Art of Not Saying Stupid Sh*t

Im Vorfeld der Buchvorstellung sprachen wir mit Kim und Janet über bewusste Kommunikation, den Zusammenhang zwischen DEI-Kommunikation und psychischer Gesundheit, also darüber, wie interne Kommunikationsprofis einen Wandel am Arbeitsplatz herbeiführen können.

1. Mentale Gesundheit und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz Wie hängt das mit DEI-Themen zusammen?

Janet M. Stovall:

„Die beiden Bereiche sind in mehrfacher Hinsicht miteinander verbunden.

Psychologische und mentale Sicherheit ist nötig, um sich als Verbündete*r (oder selbst Betroffene*r) zu DEI-Themen auszusprechen. Gerade, wenn es um DEI geht, ist Schweigen kein Gold. Wenn wir in den falschen Momenten schwiegen, sind die Auswirkungen auf allen Ebenen einer Organisation zu spüren. Die Menschen müssen sich mental sicher fühlen, um Ideen zu äußern, Sorgen mitzuteilen und Fehler zu machen, ohne Angst vor Peinlichkeit oder Vergeltung zu haben.

Der Aufstieg der 'Mut-Kultur': In diesem Sinne raten viele populäre Selbsthilfebücher Menschen, die sich nicht anerkannt, nicht belohnt und nicht gewürdigt fühlen, mutig zu sein, den Schritt zu wagen und ihre Meinung zu sagen. Dabei wird jedoch übersehen, dass 'Mut' je nachdem, wer ihn zeigen soll, unterschiedlich ist. Dasselbe gilt für das jeweilige Auftreten, denn ein größeres Risiko bedeutet eine größere Bedrohung. Und das fordert seinen psychischen Tribut. 

DEI-Müdigkeit: In der Regel klagen Mitarbeitende mit größeren Privilegien über DEI-Müdigkeit. Doch wir alle sind von diesen Themen betroffen. Die Last, entsprechende DEI-Initiativen durchzuführen, fällt oftmals auf Minderheiten. Sie werden gebeten, Gespräche zu führen, Themen-Gruppen zu leiten und Workshops zum Thema zu entwickeln. Man verlangt von den am meisten Geschädigten, dass sie die Probleme lösen, die ihnen schaden, und gibt ihnen dazu selten die Autorität oder die benötigten Ressourcen. Das ist natürlich sehr anstrengend und fordert einen emotionalen und psychologischen Tribut von Menschen, die durch systemische Ungerechtigkeit bereits traumatisiert sind.”

Wenn wir zu DEI-Themen schweigen – in DEI-Momenten – können die Auswirkungen auf allen Ebenen einer Organisation zu spüren sein.

Janet M. Stovall

2. Mentale Gesundheit am Arbeitsplatz Welche Rolle spielt integrative Sprache?

Kim Clark:

„Ich bin eine Verfechterin inklusiver Sprache. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sprache zu Verhalten führt und dass wir unsere Unternehmenssprache bereinigen müssen.

Eine der Aufgaben, die ich für meine Kund*innen wahrnehme, ist die Erstellung individueller Sprachrichtlinien für alle. Diese soziale Vereinbarung am Arbeitsplatz weist auf, wie wir miteinander sprechen sollten, und dass wir so auch mit unseren externen Kund*innen, Mitgliedern, Investor*innen, wem auch immer, sprechen werden. Auf diese Weise können wir die Menschlichkeit in jedem von uns anerkennen und respektieren.

Wir haben nicht viele gute Beispiele oder Vorbilder, die zeigen, wie wir mit Mikroaggressionen umgehen können. Die erste Reaktion bleibt, unser Verhalten zu verteidigen, mit Phrasen wie: 'Also, das wollte ich nicht sagen. Das war nicht meine Absicht' oder 'Kannst du keinen Witz vertragen?'. Aber wir müssen uns bewusster machen, worum es geht.

Ich spreche nicht davon, politisch korrekt zu sein. Politische Korrektheit fühlt sich an wie ein äußerer Faktor, wie die Einhaltung von Vorschriften... als ob man das tun müsste, als ob jemand die Sprache kontrollieren würde. Davon spreche ich nicht.

Ich spreche von inklusiver Sprache.

Ich möchte andere als gleichwertige Menschen respektieren. Ich möchte Raum dafür schaffen, wie andere sich identifizieren und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Erfahrungen, die gleichermaßen relevant sind und Einfluss darauf haben, wie sie am Arbeitsplatz auftreten und Entscheidungen treffen.

Es ist eine kollegiale soziale Vereinbarung und eine Möglichkeit, unsere Kolleg*innen zu respektieren und ihnen diesen Raum zur Verfügung zu stellen.”

3. DEI-Kommunikation in ihren Organisationen anwenden Wie sicherstellen, dass es mehr als nur eine Leistung ist?

Kim:

„Inklusive Sprache ist sehr wichtig. Im Grunde sollte jede Organisation einen Leitfaden für integrative Sprache haben. Das ist nicht verhandelbar.

Ein Leitfaden für integrative Sprache ist eine wunderbare Sache, die zwischen Ihrem Mitarbeiterhandbuch bzw. Verhaltenskodex und Ihren Markenrichtlinien angesiedelt sein sollte. Der Leitfaden für integrative Sprache ist eigentlich eine praktische Anwendung, die tagtäglich verwendet werden sollte, mit integrativer Sprache und visuellen Elementen, die repräsentativ sind, ohne zu verharmlosen.

Wenden Sie dann eine DEI-Sichtweise auf Ihre Arbeit an.

Wie kann ich meine Kommunikation inklusiver gestalten? Wie kann ich repräsentativer sein, indem ich die Menschen auf den Bildern würdige, ohne sie zu verharmlosen? Wie kann ich ihnen eine Stimme geben? Wie übergebe ich z.B. das Mikrofon bei einem Beitrag zum Weltfrauentag? Wie lasse ich eine Gemeinschaft für sich selbst sprechen?

Seit 2009 lautet das Motto der 'Krüppelbewegung' in Deutschland: 'Nichts über uns - ohne uns'.

Das ist ein schönes Sprichwort, dass für alle Gemeinschaften gelten sollte, oder? Nichts über uns, ohne uns. Kommunikator*innen gehen üblicherweise einfach hin und schreiben über jemanden ohne deren Input. Der Widerwille, das Mikrofon abzugeben, ist hier das Problem. Ich kann das nicht genug betonen: Lassen Sie Menschen für sich selbst sprechen.

Wenn wir nicht bewusst kommunizieren, dann richten wir schnell Schaden an. Wir müssen uns unserer Macht bewusster werden.

Kim Clark

Einige von uns senden E-Mails, die an 350.000 Menschen gehen. Wir haben nicht nur die Möglichkeit, etwas zu verändern, sondern auch die Verantwortung. Indem wir Sprache vorleben, die ansprechend, zugänglich, umgänglich und menschlich ist, können wir Teil des sozialen Wandels werden.

Unternehmen posten etwas über Trans-Sichtbarkeit, aber nicht aus der Sicht von Trans-Personen selbst. Aber was ist der Sinn von Sichtbarkeit? Was wollen wir mit Sichtbarkeit erreichen? 

Wir als Kommunikator*innen müssen unsere Arbeit unter dem Aspekt der DEI betrachten:

  • Wie inklusiv sind wir in unserer Sprache?
  • Wie können wir Communities, über die wir sprechen, einbeziehen und dabei authentisch sein?
  • Welche Ziele haben wir, um unsere Verantwortlichkeit zu wahren und zu prüfen?
  • Wie binden wir DEI in unseren Kommunikationsprozess und unsere Redaktionsplanung ein? Wenn wir uns zum Beispiel mit dem Marketing zusammensetzen, um über Pläne und Kampagnen zu sprechen, muss DEI von Anfang an in jede Art Kampagne integriert werden.”

4. Bestärkende Kommunikation in Zeiten von Angst und Unsicherheit Wie können DEI-Initiativen relevant und wirksam gestaltet werden?

Kim:

„Man muss viel zuhören, also wirklich am Puls der Mitarbeiter*innen bleiben. Aber wir müssen auch sehr eng mit den Personalmanagern zusammenarbeiten. Sie wissen am wenigsten, was in solchen Situationen zu tun ist, also müssen wir ihnen Ressourcen zur Verfügung stellen, sie unterstützen, schulen und sie zur Verantwortung ziehen.

Führungskräfte sind nicht, wo sie sind, weil sie bei DEI großartig sind. Niemand hat von ihnen verlangt, gerecht zu sein. Niemand hat von ihnen verlangt, integrativ zu sein und eine integrative Denkweise zu haben. Sie wissen nicht, was das bedeutet. 

Sie müssen also auch eine sehr solide Beziehung, offenes Feedback und Kommunikation mit Ihren ERGs (Employee Resource Groups) und den Leuten, die diese Gruppen leiten, haben. Sie sind diejenigen, mit denen Sie eine kontinuierliche Beziehung pflegen und eine Infrastruktur für Momente wie den Black History Month oder den Pride Month aufbauen müssen.

Sie sind diejenigen, die den Inhalt vorantreiben – nicht die Kommunikator*innen.”

5. DEI als gelebtes Ideal Was hoffen Sie, dass interne Kommunikator*innen von Ihrem Buch und Modell mitnehmen?

Kim:

„Unser Buch soll Kommunikator*innen helfen, einen Rahmen zu schaffen, der sie dazu bringt, einen introspektiven Dialog zu führen. Dieser Dialog sollte in die strategische Planung einbezogen und im Laufe des Jahres auf Herz und Nieren geprüft werden. So bleiben entsprechende Antworten parat und Kommunikator*innen sind nicht aufgeschmissen, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert.

Mit diesem Buch versuchen wir, Kommunikator*innen das nötige Selbstvertrauen zu vermitteln, damit sie sagen können: 'Ich bin in der Lage, strategische Berater*in zu sein. Es ist meine Aufgabe als Kommunikator*in, innerhalb der Firma Teil der DEI-Gesamtstrategie zu sein.'”

Janet Kim Book Laughing Smallest

6. Schwierige Themen in der internen Kommunikation Wie können IC-Profis ihre eigene psychische Gesundheit schützen?

Janet:

„Kommunikator*innen spielen eine einzigartige und komplizierte Rolle in der zielführenden Kommunikation. Sie werden oft gebeten, nur oberflächlich zu kommunizieren. Sie haben in der Regel wenig bis gar keine Möglichkeit, sich zu weigern oder gar eine andere Vorgehensweise vorzuschlagen. Und oft sind sie es auch, die nach einer falschen Äußerung einer Führungskraft die Aufräumarbeiten übernehmen.

Das DEPTH Model™ gibt Kommunikator*innen ein objektives, wiederholbares und vertretbares Instrument an die Hand, um sich zu wehren. Es minimiert die Notwendigkeit, gegen subjektive Probleme anzukämpfen - und den psychischen Stress, der damit einhergeht.”

7. DEI im Unternehmen umsetzen Welche Ratschläge haben Sie für Kommunikator*innen, die Theorie in die Praxis umsetzen wollen?

Kim:

„DEI-Kommunikation ist mehr als der nächste logische Schritt für die interne Kommunikation. Es wird bereits jetzt umgesetzt. Sie kommen eigentlich schon zu spät zur Party! Aber wir sind trotzdem froh, dass Sie hier sind.

Auf globaler Ebene hatten Kommunikator*innen mindestens zwei Jahre Zeit, um zu lernen und entsprechend zu budgetieren. Viele von uns beginnen jetzt mit der strategischen Planung und der Bereitstellung von Haushaltsmitteln. Wenn wir 2023, 2024 und in Zukunft etwas bewirken wollen, dann müssen wir diese Haushaltsentscheidungen jetzt treffen.

Wir sollten vorrangig in Fähigkeiten und Verantwortlichkeit im Bereich der DEI-Kommunikation investieren. Wir müssen unsere Kommunikation künftig aus einem DEI-Blickwinkel betrachten.

Wir können uns nicht mit weniger zufriedengeben. Trotzdem benötigt es auch einen Raum zum Lernen, der Mitarbeitenden die Möglichkeit erlaubt, Fehler zu machen und sich zu verbessern. Es geht nicht darum, dass alle Fehler bestraft werden. Vielmehr geht es darum, wie wir bessere Vorbilder in den Vordergrund rücken und verstehen, wie wir Situationen besser meistern können. Es hat erhebliche Konsequenzen, wenn wir nichts tun oder zu kritisch beurteilen.

Die Menschen werden ihren Arbeitsplatz verlassen, wenn wir DEI nicht in unsere Kommunikation einbeziehen.

Kim Clark

Wenn Sie nun nichts weiter tun wollen und denken, dass DEI im Allgemeinen nur ein Trend ist, oder wenn Sie einfach Veränderung scheuen und stillstehen… Lassen Sie sich sagen, DEI-Themen werden nicht wieder verschwinden. Ganz und gar nicht.

Genau wie die Unternehmen, die gezwungen waren, eine digitale Transformation zu durchlaufen, was schwierig war, müssen wir auch hierfür neue Werkzeuge lernen. Was ist dieses seltsame Intranet, und wie benutze ich mein Telefon? Es gab eine Zeit, in der wir alle lernen mussten. So entwickeln wir uns jetzt auch mit Themen von DEI. Wie wollen wir in Zukunft kommunizieren?

Die Menschen müssen sich selbst in der Zukunft Ihres Unternehmens sehen. Seien Sie also repräsentativ und würdigen Sie die Vielfalt der Menschen, die in Ihrem Unternehmen arbeiten. Geben Sie ihnen eine Stimme. Mitarbeitende werden kündigen, wenn wir DEI nicht in unsere Kommunikation einbeziehen. Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Mitarbeiter*innen steht auf dem Spiel.”

Wenn Sie The Conscious Communicator in die Hand nehmen, sind wir neugierig: Wie wollen Sie den Ansatz von Kim und Janet auf Ihre Arbeit anwenden? 🤔

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Spannende Einblicke zum Thema DEI gibt Kim Clark in unserem LinkedIn Live zum Thema DEI & Allyship. Lesen Sie weitere Artikel in unserem Summer of Self-Care hier im Blog:

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Wenn Sie mehr über das Stärken Ihrer Resilienz lernen möchten, melden Sie sich für unseren E-Mail-Kurs an. Vier E-Mails. Vier Wochen. Praktische Tipps, die Sie in Ihrem Alltag anwenden können.

Jede Lektion wird von Ralf Junge-Pearl unserem Head of Content bei Staffbase verfasst, einem zertifizierten Resilienztrainer verfasst.

Jede Woche werden Sie lernen:

  • wie Sie Ihre Emotionen und Reaktionen auf Stress besser verstehen können 
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