Hamburg ist hinter Seattle und Toulouse der drittgrößte Luftfahrtstandort der Welt. Eine wichtige Rolle für die Standortsicherung spielt das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL). Hier entstehen unternehmensübergreifend Innovationen auf dem Gebiet der zivilen Luftfahrt.
Auf 26.000 Quadratmetern gibt es Labore, große Hallen und Büros, in denen bis zu 600 Menschen arbeiten können. Die Corona-Pandemie, Abstandsregeln und Homeoffice erschweren aktuell den fachlichen und informellen Austausch im Forschungszentrum. Über die kommunikativen Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation sprachen wir mit Miriam Flügger, Head of Corporate Communications.
Dieses Interview mit Miriam Flügger, Head of Corporate Communications beim ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, über die externe und interne Wissenschaftskommunikation des Hamburger Forschungszentrums, ist im Mai 2021 in der fünften Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom erschienen.
Was ist die Mission des ZAL?
Miriam Flügger: Die Luftfahrt von morgen gestalten. Das ZAL ist unter der Prämisse entstanden, eine neutrale Forschungsplattform für die zivile Luftfahrt zu schaffen. Im ZAL TechCenter forschen aktuell 30 Organisationen mit jeweils unterschiedlich vielen Personen. Diese arbeiten gemeinsam an Themen nach dem Motto Open Innovation statt Scheuklappen. Hier treffen sich Forscher*innen auf Augenhöhe und entwickeln gemeinsam die Zukunft der Luftfahrt.
Organisiert wird das TechCenter von der ZAL GmbH. Wie groß ist das Kernteam?
Zu Beginn, also im Jahr 2009, waren wir drei Personen, die sich um die Planung und Ausschreibung des Forschungszentrums kümmerten. Dies war eine große Aufgabe, denn mit seiner spezifischen Ausstattung ist das 2016 eröffnete TechCenter weitaus komplexer als beispielsweise ein Krankenhaus. Neben den Büroflächen und Konferenzräumen galt es, Labore und Hallen für die Forschung auszulegen. Das bedeutet spezifische Gasanschlüsse für Wasserstoff- und Brennstoffzellforschung in den Laboren oder die Auslegung der Hallenböden für hohe Traglasten, wie sie entstehen, wenn ganze Flugzeugteile durch einen LKW angeliefert und in einem Testfeld aufgebaut werden.
Und aktuell?
Heute umfasst unser Team rund 65 Personen. Einerseits sind wir Betreiber, sprich, wir verhandeln mit den Mieter*innen und beschaffen Infrastrukturen und Laborausstattungen. Andererseits haben wir ein eigenes Technologieteam. Für mich als Kommunikatorin bedeutet das auch eine Zweiteilung: einmal die Kommunikation für das ZAL als Standort und einmal die Kommunikation der eigenen Forschungsthemen, wie etwa die Inbetriebnahme eines 3D-druckenden Roboters, also die Wissenschaftskommunikation.
Ein Innovationszentrum lebt auch von den spontanen Gesprächen auf dem Campus. Leidet diese Art des Austauschs stark unter der Pandemie?
Momentan ist tatsächlich einiges anders. Viele Kommunikationsmaßnahmen waren direkt an das Gebäude gekoppelt. Die ganze Gebäudestruktur ist darauf ausgelegt, dass man sich über den Weg läuft und nicht abgeschottet in seinem Büro sitzt. Jetzt müssen wir uns beim Arbeiten möglichst isolieren. Das ist eine riesengroße Herausforderung für Kommunikation und Austausch.
Welche Formate gab es vor Corona, um ein kommunikatives Band zwischen den vielen verschiedenen Parteien im Haus zu knüpfen?
Es gab viele Eventformate, fachliche wie informelle, weil wir davon ausgehen, dass der informelle Austausch den fachlichen fördert und begünstigt. Ein Beispiel ist hier unsere Lunchconnection – ein Blind Date Lunch. Man setzt sich mit drei fremden Menschen an einen Tisch und erhält ein kostenloses Mittagessen. So kommt man ins Gespräch und lernt sich besser kennen. Im Sommer gibt es normalerweise wöchentliche Grillnachmittage am Elbekanal. Auch wurde eine unternehmensübergreifende Kickerliga gegründet.
Diese ganzen informellen Treffen fallen aktuell weg und es ist schwierig, das wieder aufzufangen. Fachveranstaltungen funktionieren im Vergleich auch digital gut. Oft bleibt es hier aber beim rein fachlichen, oft frontalen Austausch in Form eines Vortrags. Was auf der Strecke bleibt, ist der informelle Austausch und Dialog miteinander.
Wie haben Sie als Kommunikationsabteilung versucht, dem entgegenzuwirken?
Mit unserem Eventteam haben wir verschiedene Tools getestet, um das Netzwerken bei digitalen Events zu fördern. Das Tool Wonder ermöglicht zum Beispiel, Tische in einem virtuellen Raum aufzustellen. Die Nutzer*innen bewegen sich dann mit der Maus durch den Raum und stellen sich zu anderen für ein Gespräch an einen Tisch. Eine wunderschöne Idee, welche aber das reale Miteinander nicht ersetzen kann. Gestik und Mimik, die kleinen Nuancen in der Körpersprache, die beim Netzwerken so enorm wichtig sind, fallen beim virtuellen Aufeinandertreffen weg.
Wir beobachten, dass es schwierig zu sein scheint, unternehmensübergreifend und mit fremden Menschen in den Dialog zu kommen. Anders erleben wir es interessanterweise in der internen Kommunikation. Innerhalb der ZAL GmbH funktioniert der virtuelle Austausch hervorragend, was vermutlich darin begründet liegt, dass man sich bereits kennt.
Welche Formate haben Sie dort etabliert?
Zu Beginn der Pandemie haben wir ein wöchentliches Update eingeführt, eine Art Dialog zwischen Geschäftsführung und Mitarbeiter*innen, der dazu dient, Unsicherheiten vorzubeugen. In diesem Zusammenhang haben wir digitale Kommunikations-Tools wie Teams, Mentimeter und Slido implementiert. Sie bieten gute Möglichkeiten, um, beispielsweise durch Umfragen, nah am Puls der Mitarbeitenden zu sein. Das ist auch nötig, denn die Unsicherheit ist in unserer Branche von Anfang an sehr groß gewesen, die Luftfahrt von der Krise hart getroffen. Nach einigen Monaten der intensivierten internen Kommunikation würde ich heute behaupten, hat sich der interne Zusammenhalt in der Firma enorm gestärkt.
Neben der internen Krisenkommunikation haben wir einen guten digitalen Mix aus fachlichem und informellem Austausch. Hierzu gehören auf der einen Seite Inforunden, in denen Projektteams ihre Forschungsprojekte den Kollegen vorstellen, auf der anderen Seite digitale Spiele- und Kochabende, die den Teamzusammenhalt stärken. Ein Highlight war hierbei sicherlich unsere Back-Challenge: Wie man es von einem Innovationszentrum erwarten darf, wurden aus der an alle Mitarbeiter*innen versendeten Fertigbackmischung unfassbar kreative Kuchen kreiert. Gewonnen hat eine Kollegin, die einen Motherboard-Kuchen gebacken hat, dicht gefolgt von einer gebackenen Drohne.
Wie hat sich Ihre Rolle als Head of Corporate Communications mit Corona verändert?
Ich bin jetzt fester Bestandteil eines Krisenstabs, den es in dieser Form vorher nicht gab. Ein Kommunikationsfeld, auf dem es mit sehr viel mehr Fingerspitzengefühl vorzugehen gilt: Was ist angemessen? Wann schicken wir die Leute nach Hause? Wie organisiert und kommuniziert man das, ohne dass sich die Mitarbeitenden bevormundet, aber trotzdem sicher fühlen.
Auch sind neue Themen hinzugekommen, wie etwa die Einführung von Hygieneregeln oder aktuell einer internen Teststrategie. Dennoch, meine Rolle hat sich dadurch nicht grundlegend verändert. Wir bespielen weiterhin unsere Außenkanäle wie Social Media und die Website mit technischen Themen. Der ganze Eventbereich hat sich hingegen grundlegend verändert und ins Digitale verlagert.
Ihre persönliche Einschätzung: Hat die Pandemie der internen Kommunikation einen Innovationsschub verpasst oder überwiegen die negativen Aspekte?
Viele Kommunikationsabteilungen haben es als Chance begriffen. Wir auch. Heute haben wir eine engmaschigere Kommunikation zwischen Geschäftsführung und Mitarbeitenden als vorher. Die Informationen fließen besser und transparenter als zu Zeiten, in denen man sich auf den Flurfunk verlassen hat. Alle haben die Möglichkeit, direkt Fragen zu stellen. Grundsätzlich entstehen die Innovationen bei uns aber weder schneller noch langsamer als vor Corona.
Sie haben natürlich nicht nur interne Zielgruppen. Wen sprechen Sie in der externen Kommunikation beziehungsweise der Wissenschaftskommunikation an?
Da wir eine Public-Private-Partnership sind, müssen wir immer unseren wirtschaftspolitischen Auftrag mitdenken und dem Standort einen Mehrwert bieten. Aktuellen und potenziellen neuen Partnern möchten wir zeigen, dass es sich lohnt, im ZAL aktiv zu sein. Wir müssen als der „place to be“ in der Luftfahrtforschung wahrgenommen werden – unter anderem um unsere nicht ganz niedrigen Mieten zu rechtfertigen. Und selbstverständlich müssen wir uns auch als attraktiver Arbeitgeber präsentieren.
Interne und externe Kommunikation werden bei Ihnen mit einem zweiköpfigen Team gestemmt. Wie ist da die Gewichtung?
In etwa 50/50. Aber man kann es gar nicht strikt trennen, da es Hand in Hand geht. Wir haben eine sehr große Bandbreite an Luftfahrtthemen – auch intern. Wenn ich einen Artikel über die Digitalisierung der Flugzeugkabine vorbereite, kann ich davon ausgehen, dass unsere Administrationsabteilung oder das Property Management sich mit diesem Thema nicht im Detail auskennen. Daher wird es für extern und intern so aufbereitet, dass auch Nicht-Ingenieure es verstehen können. Und dasselbe gilt für Themen wie Brennstoffzellen, Akustik, 3D-Druck, Künstliche Intelligenz, Robotik und so weiter.
Das klingt nach Newsroom-Mindset.
Ja, so ist es. Am Anfang steht das Thema, dann kommt die Aufbereitung für interne und externe Kanäle.
Wird es in Zukunft schwieriger, Standortmarketing zu betreiben, wenn es größere Tendenzen zu Remote-Arbeit gibt?
Nein, es wird nicht schwieriger. Ein gewisser Teil der Arbeit ist immer an das ZAL TechCenter gebunden. Wir betreiben angewandte Luftfahrtforschung und müssen irgendwann immer in die Anwendung kommen, klassischerweise geschieht dies in unseren Laboren und Hallen. Meinen Job als Kommunikatorin kann ich hingegen vor Ort oder von zu Hause erledigen. Das ist nicht das Problem. Aktuell wird bei uns ein zwanzig Meter hoher Wasserstofftank aufgestellt. Ein Kollege hat eine Kamera installiert und stellt mir die Bilder zur Verfügung. So arrangiert man sich und versucht, sich möglichst intelligent aus dem Weg zu gehen. Standortmarketing können wir also weiterhin machen. Die Themen finden ja trotzdem statt.
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