Podcasts werden bei ihrer Reichweite häufig überschätzt, und manche Werke setzen sich schon mal dem Vorwurf aus, als „Laber-Podcast“ nicht schnell genug auf den Punkt zu kommen. In der internen Unternehmenskommunikation jedoch entwickeln die Audiomitschnitte eine neue Qualität.

Dieser Artikel wurde von Marcus Schwarze verfasst und ist im November 2020 in der vierten Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom erschienen, das als kostenfreier Download zur Verfügung steht.

Staffbase CTA

Vierstellige Abrufzahlen sind schon ein Erfolg …

Alex Wunschel sammelt Corporate Podcasts. In seiner Excel-Liste finden sich mehrere hundert Firmen-Podcasts, klassifiziert nach Machart, Länge, Häufigkeit. „Rund 250 davon liegen auf dem virtuellen Friedhof, gut 320 sind aktuell aktiv“, berichtet der 50-Jährige.

Podcast-Produzent Alex Wunschel im Studio
Alex Wunschel

Er gilt für manche als der „Godfather of German Podcasting“, mit seinem „Blick über den Tellerrand“ hat er die deutsche Podcast-Kultur geprägt und entwickelt. An 20 Corporate Podcasts wirkte er bisher von München aus mit, hat nun rund 800 Episoden hinter sich. Wenn einer weiß, was Firmenpodcasts bringen, dann muss er es sein.

„Es gibt tatsächlich eine überhöhte Erwartungshaltung“, sagt Wunschel. Vierstellige Abrufzahlen gelten je nach Firmengröße bei Unternehmenspodcasts durchaus als Erfolg – und sind natürlich kein Vergleich zu Tausender-Kontakten von beispielsweise Radiospots. So muss das Thema Podcasts anders erklärt werden: beispielsweise mit den immens wichtigeren Durchhörraten der Hörerschaft.

… aber dafür gibt es mitunter traumhafte Durchhörraten

Bei einem seiner Kunden klopft einmal im Jahr der hausinterne Controller an und fragt mit Blick auf die Produktionskosten der Podcasts, was die denn bringen? Der Kunde fragt dann als Running Gag zurück, was denn das Plakat der Firma bringe, das auf der Straße gegenüber hängt?

„Es hängt davon ab, wie man die Kontaktqualität bewertet“, sagt Wunschel. Mehrere hundert Mitarbeiter eines Unternehmens, die einen 45-minütigen internen Podcast bis zum Schluss hören, unterstreichen aus seiner Sicht den Wert dieser Kommunikationsmaßnahme.

Das bestätigt Maren Kaspers. Sie war Senior Performance Marketing Manager bei Staffbase, wechselte 2020 zur Nerds GmbH und ist dort seit 2022 Head of B2B. Spätestens zu Corona haben interne Podcasts einen besonderen Stellenwert entwickelt. „Wenn sich der Vorstand in einem wöchentlichen Update an seine Mitarbeiter richtet, ist das gesprochene Wort sehr hilfreich“, sagt sie. Die Tonalität vermittelt mehr als die geschriebene Mitteilung, in die häufig vieles hineininterpretiert werde.

Maren Kaspers von Staffbase und Team HR auf der Bühne des DMDKO 2020 in Koblenz
Maren Kaspers beim DMDKO 2020

Aber auch unabhängig von solchen Ansprachen vom Chef eignet sich der Podcast nach ihren Worten gut dazu, in großen Unternehmen mehrere Abteilungen besser zu vernetzen. „Was macht eigentlich die Stabsstelle XY?“ ist so ein Format.

Podcast statt Town-Hall-Event

Bei der comdirect bank etwa gab es vor Corona regelmäßig am Unternehmenssitz in Quickborn Town-Hall-Events mit dem Vorstand. Als übers Wochenende plötzlich 75 Prozent der Belegschaft ins Homeoffice geschickt wurden, war das Town-Hall- Event nicht mehr möglich – stattdessen zeichnet der Vorstand jetzt jeden Mittwoch um 8 Uhr eine Podcastfolge auf.

Bürogebäude der comdirect bank
Podcast statt Town-Hall-Event: die comdirect hat ihre interne Kommunikation während der Corona-Pandemie umgestellt

„Diese Episoden stellen wir 30 Minuten später unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung“, berichtet Annette Siragusano, Leiterin der Unternehmenskommunikation, in einem Beitrag auf LinkedIn. Es folgte ein weiteres Format namens „Marktupdates“, mit dem die Banker nun regelmäßig intern live gehen und über das Geschehen an der Börse berichten.

Neue Mitarbeiter*innen und Produktentwicklungen vorstellen

Auf drei Säulen kann aus Sicht von Audioproduzent Alex Jacobi aus Aachen der Erfolg gut gemachter firmeninterner Podcasts basieren. Zum einen als Medium, um über Interna auf dem aktuellen Stand zu bleiben; zum zweiten als Mittel der Personalabteilung, neue Mitarbeiter vorzustellen; und zum dritten für die Weiterbildung, wenn etwa Vertriebsmitarbeiter auf dem Weg zum Kunden im Auto die Vorzüge – und auch intern bekannte Defizite – neuer Produkte abhören können. „Gesprochen kommt da viel mehr rüber als in einer zu Papier gebrachten Dokumentation“, sagt Jacobi.

Der 44-Jährige aus Aachen hat eine Plattform entwickelt, mit der Firmen ihre Podcasts im Browser aufnehmen und zusammenführen können. Audio hat aus seiner Sicht den Vorteil, dass es als Sekundärmedium nebenbei gehört werden kann – sei es auf dem Weg zur Arbeit oder beim Arbeiten am Rechner.

Interessant seien interne Firmenpodcasts auch für Abteilungen mit vielen Teilzeitkräften: Nicht erst seit Corona ist es schwierig, alle zur gleichen Zeit an einem Ort zusammenzubringen. Teilzeitarbeiter können sich das Gesagte dann zu „ihren“ Zeiten abhören. Das ist effektiver als ein „Stand-up“-Format, in dem bei einem wöchentlichen Treffen jeder kurz aufsteht und erzählt, woran er gerade arbeitet.

Mit kurzen Aufnahmen zum Erfolg

Laura Koller von Payback
Laura Koller

In der Praxis kann so ein interner Podcast schon mit einer vergleichsweise kurzen Aufnahme Erfolg haben: Zehn bis 15 Minuten lang sind etwa die Podcasts bei der Loyalty Partner GmbH, dem Unternehmen hinter dem Bonusprogramm Payback. „Die Podcasts sind bei den Kollegen sehr gut angekommen“, berichtet Laura Koller, Lead Internal Communication & Employer Branding bei dem Münchener Unternehmen, und verweist auf entsprechende Likes und Kommentare.

In dem Konzept führt Nina Purtscher, die Pressesprecherin des Hauses, kurze Interviews mit Kollegen einzelner Abteilungen. Thema war in den vergangenen Monaten besonders, was die Coronakrise für den Arbeitsalltag bedeutete, wie „Working from anywhere“ funktioniert und wie man sich persönlich organisiert.

Kirsten van Loh Wark von Paybackl
Kirsten van Loh Graf

Ausgespielt wurden die Kurzinterviews ausschließlich in einer internen Mitarbeiter-App namens „Bubble“. „Der Klang der Stimme hat einen großen Mehrwert“, sagt auch Kollers Kollegin Kirsten van Loh Graf. Jeder könne selbst entscheiden, wann er die Podcasts hört, sei es auf dem Fahrrad, im Auto oder beim Kochen – sei es gestückelt oder komplett. Mit der eigenen App hat die interne Kommunikation mittlerweile über 90 Prozent der 1.000 Mitarbeiter*innen erreicht. Täglich seien mehr als die Hälfte der Nutzer in der App aktiv.

Lernen vom Virologen

So kommt es auf die Zielgruppe an, wenn Podcasts ein Erfolg werden sollen. Im Gros der Bevölkerung haben sich zuletzt öffentliche Podcasts wie der des Virologen Christian Drosten Gehör verschafft. Wie die freie Hörfunkjournalistin Sandra Müller hervorhebt, gelang ihm mit insgesamt mehr als 15 Millionen Abrufen der insgesamt rund 60 Folgen die wahrscheinlich erfolgreichste Neugründung eines Podcasts in Deutschland. Das Geheimnis des Drosten’schen Podcasts lag dabei nicht nur im Megathema Corona, sondern in der Ausführlichkeit und Kompetenz.

Sandra Müller
Sandra Müller

„Podcasts gelten in Deutschland generell als erfolgreich, wenn die Episoden jeweils 60.000 bis 100.000 Hörer*innen erreichen“, sagt Müller. „Damit schafft man es in die Top Ten und an die Spitze der deutschen Podcast-Charts – zum Beispiel die auch als Podcast angebotene Radiosendung „SWR2 Wissen“. Zum Vergleich: Der Sender hat eine Tagesreichweite von knapp 400.000 Hörer*innen. Das heißt: So viele Menschen schalten irgendwann im Laufe des Tages das Radioprogramm SWR2 ein und hören für mindestens 15 Minuten. Wenn die einzelnen Sendungen aber zusätzlich von bis zu 100.000 Nutzer*innen heruntergeladen werden, steigert das die Reichweite enorm.

Christian Bednarek, Betreiber der Podcast-Plattform fyyd
Christian Bednarek

Für Christian Bednarek, Betreiber der Podcast- Suchmaschine fyyd, steht jedenfalls fest, dass Corona den Podcasts generell auf die Beine geholfen hat: „Nach 2005 und 2010 erleben wir zurzeit für Podcasts die dritte Hype-Welle“, urteilt er. Als während der Krise viele zu Hause blieben, entstanden nach seiner Beobachtung mehr neue Podcasts – doch die Abrufzahlen seien ungefähr gleichgeblieben. Interne Podcasts sammelt er naturgemäß nicht in seiner Suchmaschine – sonst wären sie ja nicht intern.

Die Stärke von Podcasts ist, durch den Klang der Stimme eine Persönlichkeit mit Nuancen zu verkörpern. Und gerade im Homeoffice kann so ein Nebenbeimedium mehr Nähe zum Unternehmen bewirken als ein monatlich versandtes PDF der Mitarbeiterzeitschrift.

Das könnte Sie auch interessieren: