Es ist Juni. Als hätte sich zum Ersten des Monats ein Schalter umgelegt, wehen uns aus allen Ecken des Internets die Regenbogenfahnen zu. 🏳️‍🌈✨ Für viele ist das leider der einzige Weg, auf dem sie überhaupt mitbekommen, dass es sowas wie einen Pride Month gibt.

Mit dem hissen der Fahne hört es für viele Firmen aber oft schon auf, wenn es darum geht, Diversität und Inklusion in der eigenen Firmenkultur zu leben. Das sogenannte Rainbow Washing wird vermehrt von großen Organisationen betrieben und ist schon seit Jahren ein Meme in LGBTQI* Communities.

here it comes rainbow meme
Here it comes! Macht euch bereit für das alljährliche Rainbow Washing!

Wir Fragen Expert*innen: Wie können Unternehmen Diversität aktiv leben?

Inwiefern Diversität und Inklusion in der Firmenkultur gelebt werden, ist auch eine Frage der internen Kommunikation. Was nach außen hin gezeigt wird, muss nach innen von Mitarbeiter*innen gesehen und gefühlt werden. Auf der VOICES, unserer alljährlichen Konferenz für interne Kommunikation, haben Prof. Dr. Annika Schach und Saskia Osbar einen inspirierenden Vortrag zum Thema Rainbow Washing gehalten.

Zum Auftakt des Pride Months haben sie gezeigt, was für eine große Verantwortung interne Kommunikator*innen haben, wenn es darum geht, die richtigen Stimmen in den Vordergrund zu rücken und damit D&I eine Plattform zu geben. Doch ohne die Unterstützung von HR, PR und dem Management kann auch die interne Kommunikation nur begrenzt wirken.

Pride Month Artikel Rainbow Washing Annika Schach und Saskia Osbar
Prof. Dr. Annika Schach ist Professorin für angewandte PR und Geschäftsführerin der segmenta futurist:a und Saskia Osbar ist Senior Communications Specialist bei segmenta futurist:a

Saskia Osbar erklärt, die Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion (DE&I) sollten in der Unternehmensstrategie verankert sein. So behalten diese ihre Wichtigkeit auch im Rest des Jahres. Entsprechend müssen sich Unternehmen wichtige Kennzahlen ansehen und das Thema wenn nötig weiter nach oben auf die Agenda schieben. Nur so können Firmen sicherstellen, dass an jedem Tag des Jahres auf DE&I-Themen geachtet wird und nicht nur, wenn es für Marketingzwecke angemessen scheint.

Das gilt im Übrigen nicht nur für LGBTQI*-Anliegen, sondern sollte für alle marginalisierten Personengruppen genug Zeit eingeräumt werden. Auch für Mitarbeiter*innen mit Migrationshintergrund, gering vertretener Ethnie und solche mit Behinderungen ist es oftmals schwer die eigene Stimme hörbar zu machen. Gerade deshalb muss eine firmenweite Strategie hier Rücksicht nehmen.

Firmen können nicht etwas nach außen verkaufen, wenn die internen Hausaufgaben nicht gemacht wurden.

Prof. Dr. Annika Schach

Diversity und Inclusion dank Employee Branding – Das kommt auch dem Recruiting zugute!

Die langfristige Unternehmensstrategie muss auf die verschiedenen Arbeitsbereiche heruntergebrochen und konkretisiert werden, führt Prof. Dr. Schach weiter aus. Der Gedanke allein ist schön und gut, aber Mitarbeiter*innen wollen das auch wirklich im Arbeitsalltag spüren, z. B. durch das Unternehmensverhalten in Form von Compliance Richtlinien oder die Personalgewinnung im Bereich HR. Letzterem liegt natürlich die Frage zugrunde, welche Art Arbeitgeber eine Firma sein möchte.

Sollen sich die Angestellten dank einer möglichst diversen Belegschaft in ihrer eigenen Haut wohlfühlen können? Sollen vielfältige Talente angezogen und langfristig gehalten werden? Das greift in jeden Bereich der Unternehmensidentität ein: Der Dreiklang von Vision, Mission und Werten sollte sich gleichermaßen mit diversen Themen beschäftigen. Das ist auch eine Frage des Employer Brandings, denn nur eine diverse Firmenkultur zieht diverse Stimmen an. Hier ist Authentizität sehr wichtig, denn Arbeitsuchende schauen genau, was ihnen angeboten wird.

Abdruck Mit Kuerzel Toni Kretschmer, Bei Fragen 01705004030
Prof. Dr. Annika Schach und Saskia Osbar während ihres Vortrags "Pride Month oder Rainbow Washing? Authentische Kommunikation von Diversity & Inclusion" auf der Voices Berlin 2022

Hierzu schreibt Anke van Beekhuis in ihrem Buch Wettbewerbsvorteil Gender Balance (2019), dass die Art, auf die Talente angezogen werden, bereits bei den Ausschreibungen beginnt. Werden explizit Talente gesucht, die der Firmenkultur entsprechen, überlegen sich Bewerber*innen zweimal, ob sie in diese hineinpassen. Wird dank einer einfachen Onlinesuche aber schnell klar, dass diverse Mitarbeiter*innen das Unternehmen verlassen haben, weil sie sich unwohl fühlten, wird es auch in Zukunft schwer sein, DE&I weiter in die Firmenkultur zu integrieren.

Das Thema beginnt nicht einfach irgendwo, sondern bei den Mitarbeiter*innen und ihren Anliegen. Divers aufgestellte Bewerber*innen werden auch diverse Gründe haben, ein Angebot anzunehmen oder den Arbeitsplatz zu wechseln. Diese Unterschiede werden bei Ausschreibungen oftmals nicht beachtet. Kontinuierliche Kommunikation bleibt also das A und O. Wehen die Regenbogenfahnen nur im Juni und verstauben sonst im Schrank, dann wird das Kunden und Bewerber*innen nicht entgehen.

Wie kann interne Kommunikation helfen, Diversität und Inklusion im Unternehmen voranzubringen?

Gibt es bisher noch kein professionelles Diversity Management, können Arbeitsgruppen das Thema voranbringen. Mitarbeiter*innen aus dem HR, aus dem Management und aus der internen und externen Kommunikation können zusammenkommen und sich über eine firmenweite Strategie beraten.

Als die Hüter*innen der gelebten Firmenkultur sind es allerdings interne Kommunikator*innen, die schnell erkennen, wo die wichtigsten Brandherde warten. Diese müssen dank systemgerichteter Ansätze gefunden werden, statt sich auf Personas zu fokussieren, warnt Prof. Dr. Schach. Das bedeutet, zu schauen, welche Themen die gesamte Belegschaft über Personengruppen hinaus beschäftigen und diese Probleme dank einer nachhaltigen Strategie lösen. Das ist eine Aufgabe, die daher besser bei den Kommunikator*innen bleiben sollte und weniger im Marketing.

DE&I fordert langfristige und nachhaltige Strategien

Eine firmeninterne Allianz und langfristige Diversitätskampagne kann helfen, das Thema kooperativ und breit gefächert voranzubringen. Hier sind interne Kommunikator*innen auch in der Lage, Mitarbeiter*innen eine Bühne zu geben bzw. die Möglichkeit, sich maximal zu entfalten. Diverse Stimmen sollen gehört werden. Das hilft Kommunikator*innen, Stereotype zu vermeiden und die eigenen Perspektiven zu erweitern. Trotz aller guten Vorsätze ist vor allem Krisenfestigkeit in der Firmenkommunikation wichtig, rät Schach weiter, denn Unternehmen können durch schlechte Repräsentation zurecht schnell sehr starke Kritik auf sich ziehen.

DE&I erfolgreich nach innen zu kommunizieren ist demnach auch eine Frage der langfristigen Bindung, des Employee Engagements und kommt der Prävention des Fachkräftemangels zugute. Möchten wir, dass die Mitarbeiter*innen lange und leistungsstark im Unternehmen arbeiten, müssen sie sich wohlfühlen. Bei tiefliegenden Ansätzen muss auch die Unternehmensleitung anerkennen, dass es bei DE&I um wichtige betriebswirtschaftliche Faktoren geht. Interne Kommunikator*innen können helfen, darauf aufmerksam zu machen.

Darüber hinaus müssen diverse Themen nach innen mit der gleichen Aufmerksamkeit behandelt werden wie nach außen. Das beginnt beim Thema Bildsprache und dem Gendern von Texten.

Diese Episode findet ihr auch auf Apple Music. Weitere Podcasts zu allen Themen rund um die interne Kommunikation findet ihr hier.

Auch das Schreiben und Teilen von Guidelines zum Thema DE&I kann dabei helfen, dass sich die gesamte Belegschaft kontinuierlich und konsequent weiterbildet. So sollte DE&I auf der Agenda von internen Kommunikator*innen bleiben, statt als alljährliche Modeerscheinung in den Hintergrund zu rücken. Es darf sich nicht auf den Lorbeeren ausgeruht werden. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen können helfen, einen klaren Überblick zu behalten. Genau wie beim Thema Nachhaltigkeitsengagement muss von vornherein klargemacht werden, dass es kein zeitlich begrenztes Projekt ist, sondern ein fortlaufender Prozess.

Individualität leben statt Inklusion erzwingen

Saskia Osbar legt großen Wert auf Individualität, die auch seit der Pandemie vermehrt eine größere Rolle in der gelebten Firmenkultur spielt. Diversität und Inklusion kann nicht länger ein Thema sein, das nur Minderheiten beschäftigt. Unabhängig von Hintergrund und Herkunft wollen alle Mitarbeitenden als Individuen von ihrem Arbeitgeber geschätzt werden.

Die Ansprüche an die Berufstätigkeit und den Arbeitsalltag ändern sich. Die Frage nach der Art zu arbeiten und zu leben tritt für uns alle weiter in den Vordergrund. Wie konzentrieren Mitarbeiter*innen sich am besten? In welchem Arbeitsumfeld möchten Mitarbeiter*innen arbeiten? Auch die Frage der Fünf- oder Vier-Tage-Woche und der Sinn einer Begrenzung von Urlaubstagen tritt vermehrt auf. Nicht alle Mitarbeitenden sind gleich und haben denselben Arbeitsalltag. Stattdessen muss dieser individuell angepasst werden. Wofür brennen unsere Mitarbeiter*innen und wie kann diese Begeisterung helfen, das Beste aus einer individuellen Person rauszuholen?

Wir brauchen keine Regeln, die für alle gelten, aber zu keinem passen.

Saskia Osbar

Wir leben unsere Individualität jeden Tag!

Das Problem ist also, dass Unternehmen lediglich während des Pride Months die Nötigkeit erkennen, Diversität auch nach außen zu feiern. Selbst wenn LGBTQI*-Themen in der Firmenkultur gelebt werden, scheinen andere Angelegenheiten oft wichtiger. Dabei sollten alle Themen rund um DE&I in all unseren individuellen Besonderheiten beginnen. Gute interne Kommunikation kann helfen, diese hervorzuheben. Das gilt natürlich für die Mitarbeiter*innen selbst, aber es sind die Komunikator*innen, die erst einmal aufmerksam zuhören müssen.

Letztendlich liegen firmenweite Entscheidungen, die DE&I beeinflussen, natürlich beim Management und der Gesetzgebung. Beim Datenschutz war es beispielsweise die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die den Unterschied gebracht hat. Prof. Dr. Schach führt an, dass es vor allem die bürokratischen Apparate waren, die die Einführung des dritten Geschlechts aus verwaltungstechnischen Gründen wollten und erst daraufhin der Genderstern nachgezogen ist. Doch das sind Regeln und Richtlinien.

Zusammenhalt und eine aufgeschlossene Firmenkultur beginnt zwischen den Mitarbeiter*innen und inwiefern wir diesen ermöglichen, sich wohl zu fühlen und ganz sie selbst zu sein. Unsere Individualität wollen wir auch repräsentiert sehen und das 365 Tage im Jahr. 🏳️‍🌈✨

Pride Month 2022
Happy Pride Month 2022