Von der Pressestelle zum Newsroom: Andreas Offermann, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Gruppenleiter Newsroom bei der Debeka, hat in seiner Masterarbeit das Thema Storytelling in Corporate Newsrooms und die Auswirkungen auf die Marke am Beispiel der Versicherungs- und Finanzbranche untersucht. Im Interview berichtet er von seinen Erkenntnissen und den Status quo beim Thema Corporate Newsrooms bei Banken und Versicherungen.
Dieses Interview über Newsrooms bei Versicherungen und Banken mit Andreas Offermann von der Debeka ist im Mai 2021 in der fünften Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom und im 250 Seiten starken Handbuch Corporate Newsroom erschienen.
Ist ein Corporate Newsroom nur dann erfolgreich, wenn er Storytelling einsetzt?
Andreas Offermann: Mit Hilfe von Storytelling schafft man es besonders gut, Botschaften und Werte zu transportieren. Das wirkt sich wiederum auf die Marke aus. Daher bin ich der Meinung: Wenn in einem Corporate Newsroom Storytelling eingesetzt wird, ist das definitiv erfolgversprechend. Man kann aber nicht pauschal sagen: „Wer kein Storytelling betreibt, ist in der Kommunikation nicht erfolgreich.“
Wie sind Sie bei Ihrer Untersuchung vorgegangen?
Es ist eine empirische Studie mit qualitativen Experteninterviews. Insgesamt hatte ich zehn Gesprächspartner*innen von Banken und Versicherungen, unter anderem Kolleg*innen von R+V, DZ Bank, Targobank, Swiss Life und ARAG. Sie sind beispielsweise in der Funktion Leiter*in Unternehmenskommunikation oder Chefredakteur*in im Newsroom.
Wie stark verbreitet sind Corporate Newsrooms bei Banken und Versicherungen?
Da ist meiner Meinung nach noch Luft nach oben. Viele beschäftigen sich zwar mit dem Thema, haben es aber noch nicht umgesetzt. Viele Unternehmen mussten in den vergangenen Jahren ihre Arbeitsweisen anpassen oder sind gerade dabei. Die Frage ist: „Muss es immer ein physischer Newsroom sein?“ Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das nicht immer notwendig ist. Die Zusammenarbeit funktioniert auch digital. Kreatives Arbeiten leide jedoch ein wenig, sagten die Expert*innen, was ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Workshops digital durchzuführen, ist eine Herausforderung. Viele vermissen zudem die kurzen Wege.
Wie ist die Kommunikation bei Ihrem Arbeitgeber organisiert?
Wir haben uns in den vergangenen Jahren von einer Konzernpressestelle zu einem Newsroom entwickelt. Im Vergleich zu anderen Unternehmen aus der Branche haben wir uns bei der Debeka schon relativ früh zu diesem Schritt entschlossen – das zeigt auch meine Erhebung. Innerhalb der Hauptabteilung Unternehmenskommunikation, welche es seit zehn Jahren bei der Debeka gibt, hat sich in verschiedenen Übergängen die Abteilung Konzernkommunikation entwickelt, welche für die integrierte – also interne und externe – Kommunikation zuständig ist. Die Abteilung ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Newsroom und visuelle Kommunikation, also Grafik und Design.
Als Abwandlung des Newsroom-Modells von Prof. Dr. Christoph Moss sind die Themenverantwortlichkeiten bei uns nicht personell zugewiesen. Aufgrund kleinerer personeller Kapazitäten haben wir das Modell so adaptiert, dass Kanal- oder Medienverantwortliche auch gleichzeitig als Themenmanager*innen fungieren. Das ist für uns kein Widerspruch, denn oft entstehen Themen speziell für bestimmte Kanäle. Die Kanal- bzw. Medienverantwortlichen haben hier ein umfangreiches Know-how, weil sie die Kanäle extrem gut kennen. In unserem Newsroom arbeiten wir crossmedial, weil natürlich die Medienverantwortlichen ihre Recherche auch den anderen Kolleg*innen zur Verfügung stellen. Themen werden also für die Zielgruppe entsprechend aufbereitet.
Diese Themen entstehen nicht nur im Newsroom, sondern auch in enger Abstimmung mit dem verantwortlichen Bereich für Verkaufssteuerung, bei uns in der Hauptabteilung Vertrieb. Ein Vertreter ist daher auch Teil des Strategieteams des Newsrooms. Denn von hier aus erfolgt in weiten Teilen auch die Produkt- beziehungsweise Marketing-Kommunikation.
Welche Rolle spielt das Storytelling in den Newsrooms von Banken und Versicherungen?
Es ist weit verbreitet. In den Interviews wurde es teilweise als Hype bezeichnet, teilweise als etablierte Technik, um Botschaften besser zu transportieren. Banken und Versicherungen verkaufen immaterielle Produkte, andere Branchen haben es da etwas leichter. Das Thema Altersvorsorge bietet durchaus Potenzial, aber bei weitem nicht so viel wie ein Sportwagen. Daher ist es für uns als Finanzbranche wichtig, Emotionen zu transportieren. Mit Storytelling schafft man das am besten. Die Geschichte bleibt im Kopf, die Marke wird erlebbar. Und wenn die Marke stark aufgeladen ist, steigt das Vertrauen der Kund*innen. Gleiches bezieht sich auch auf die Arbeitgebermarke.
Stichwort Agilität: Kommen agile Methoden in den untersuchten Newsrooms zum Einsatz?
Ja, es werden agile Methoden angewendet. Weit verbreitet sind die Formate Daily, Weekly und Monthly. Eines der untersuchten Unternehmen arbeitete mit Kanban. Workshops, zum Beispiel nach der Lean-Coffee-Methode, werden immer häufiger eingesetzt. Ein Ziel hinter dem Newsroom-Modell ist es, Silos aufzubrechen und dadurch effizienter zu arbeiten. Dabei können agile Methoden helfen.
Sie sprechen die Auflösung von Silos an. Hat sich die Zusammenarbeit von Marketing und Unternehmenskommunikation in den untersuchten Newsrooms verbessert?
Das kann ich definitiv bestätigen – auch aus eigener Erfahrung. Die Bereiche wachsen viel stärker zusammen. Bei einigen Unternehmen wurden Marketing und Kommunikation im Newsroom zusammengeführt. Swiss Life ist ein gutes Beispiel. Aber auch wenn die Abteilungen nicht zusammengelegt wurden, hat sich die Zusammenarbeit verbessert. Das ist unerlässlich, um als Unternehmen Kommunikation effizient zu steuern, Synergieeffekte zu erzielen und keine widersprüchlichen Aussagen zu tätigen. Eine einheitliche Unternehmenssprache, einheitliche Botschaften und klare Kommunikationsziele sind extrem wichtig, wenn man eine Marke stärken will.
Wie bewerten die Ansprechpartner*innen bei den Unternehmen insgesamt das „Projekt Newsroom“?
Das Feedback war durchweg positiv. Auch wenn der Weg beziehungsweise Change-Prozess herausfordernd ist. Die Mitarbeitenden müssen sich auf Neues einlassen. Arbeitsmethoden ändern sich. Ein paar der Expert*innen haben auch Gegenwind erfahren. Aber unter dem Strich sind alle zufrieden mit der Einführung, weil ein Newsroom dazu beiträgt, dass die DNA und die Werte des Unternehmens gelebt und kommuniziert werden.
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