Montagmorgen, 08:30 Uhr. Du checkst dein E-Mail-Postfach, in dem dich bereits die Nachricht einer Bereichsleitung erwartet. Höchste Prio. Mit Lesebestätigung. „Liebes Comms-Team, anbei alle Infos zu einem super wichtigen Personalwechsel im Team. Bitte möglichst breit streuen. Presseverteiler, LinkedIn, Website. Auf jeden Fall diese Woche noch. Danke! 👍“
Puh, erst mal Kaffee holen. Und dann eine Argumentation zurechtlegen, warum diese „Top-News“ leider keine Pressemitteilung und auch kein Post auf dem Corporate Account bei LinkedIn werden wird. Wäre es nicht toll, solche Anfragen dank einer offiziell freigegebenen Dokumentation ablehnen zu können, ohne dem Gegenüber das Gefühl zu geben, aus Willkür oder fehlender Wertschätzung für seine Belange zu handeln?
In diesem Artikel schauen wir uns an, wie euch eine Themenarchitektur, ein Themenhaus oder ein Topic Wheel im Kommunikationsalltag helfen können: bei der Themenfindung, dem Priorisieren, der Redaktionsplanung – und beim Neinsagen. Wir werfen außerdem einen Blick auf ein paar Schwachstellen und Fallstricke und wie ihr damit umgehen könnt.
Warum brauchen Unternehmen eine Themenarchitektur?
Unternehmen, die ihre Kommunikation auf eine starke Themenarchitektur aufbauen, profitieren von zahlreichen Vorteilen. Aber was genau macht eine Themenarchitektur so wertvoll?
Überwindung von Silos durch verbindende Narrative
In vielen Unternehmen arbeiten Abteilungen wie Marketing, Unternehmenskommunikation, HR und Vertrieb unabhängig voneinander. Sie haben ihre eigenen Ziele, Budgets und Kanäle. Das führt oft zu einer inkonsistenten Darstellung nach innen und außen sowie zu einer Flut von Botschaften, die wenig miteinander verbunden sind.
Eine Themenarchitektur bringt Ordnung, indem sie alle Bereiche auf gemeinsame Kommunikationsziele ausrichtet. Narrative fungieren dabei als verbindendes Element: Sie sorgen dafür, dass die unterschiedlichen Botschaften der Abteilungen einheitlich und aufeinander abgestimmt sind.
Fokus und Effizienz
Über eines können sich Kommunikator*innen sicher nicht beschweren: zu wenige Anfragen, Themen und Kommunikationsanlässe. Eine Themenarchitektur hilft, den Fokus zu wahren. Sie stellt sicher, dass nur die wirklich relevanten Themen kommuniziert werden und dass alle Kommunikationsmaßnahmen auf diese Themen einzahlen. Dies erhöht auch die Wirkung der Kommunikation. Und es spart Zeit und Ressourcen, da bestimmte Anfragen fundiert begründet und damit nachvollziehbar für alle abgelehnt werden können.
Konsistente Botschaften und emotionale Relevanz
Die Themenarchitektur stellt sicher, dass alle Botschaften des Unternehmens konsistent sind. Doch Konsistenz allein reicht nicht. Die Botschaften müssen auch relevant und emotional ansprechend sein. Hier kommen wieder Narrative ins Spiel: Sie verleihen den Inhalten emotionale Tiefe und machen sie für die Zielgruppen greifbarer und erinnerungswürdiger.
Definitionen: Themenarchitektur, Themenhaus und Topic Wheel
Zunächst grenzen wir die drei Begriffe voneinander ab. Im Kern liegt ihnen allen derselbe Ansatz zu Grunde: themenzentrierte Kommunikation.
Was ist eine Themenarchitektur?
Eine Themenarchitektur ist das strategische Fundament, das die Kommunikationsarbeit eines Unternehmens auf eine solide Basis stellt. Sie ist einerseits ein Framework, mit dem relevante Themen identifiziert und geordnet werden. Andererseits ist sie strategisches Werkzeug, Leitfaden und Regelwerk für die Themen- und Redaktionsplanung sowie für die Content-Produktion.
In einer Art Kaskade ordnen sich unter einer Handvoll Dachthemen jeweils weitere Subthemen ein, zu denen anschließend Kampagnen geplant, Storys entwickelt und diverse Inhalte (Content) produziert werden können.
Was ist ein Themenhaus?
Die Größe, der Baustil und die Innenausstattung eines Themenhauses werden von der jeweiligen Bauleitung durchaus unterschiedlich realisiert. Der Grundgedanke ist jedoch derselbe: Aus Purpose und/oder Unternehmenswerten wird das Fundament gegossen. Das Dach besteht aus der Vision der Marke und den Zielen des Unternehmens. Dazwischen bilden die zentralen Themenfelder, mittelfristige Fokusthemen, Botschaften und Zielgruppen die Stockwerke und Räume des Themenhauses.
Wer weitere Beispiele kennenlernen möchte, Marie-Christine Schindler hat auf ihrem Blog die Themenhäuser mehrere Unternehmen beschrieben: Krebsliga Schweiz, SBB und die Mobiliar.
Was ist ein Topic Wheel?
Auf das Topic Wheel bin ich in der Veröffentlichung „It’s all about content“ von der Academic Society for Management and Communication gestoßen. Am Beispiel der Firma Osram wird das Modell sehr gut erklärt:
Osram nutzt das Topic Wheel als eine Struktur zur Themenorganisation. Die vier Kernkompetenzen – Mobility, Safety & Security, Connection und Health & Well-Being – stehen im Mittelpunkt und sind als strategische Kernthemen im inneren Ring platziert. Im zweiten Ring sind sie in alltagsrelevante Themen übersetzt. Der äußere Ring (auf der Grafik nicht zu sehen) enthält sehr spezifische Subthemen. Diese Themen werden regelmäßig überprüft, wobei die Geschäftseinheiten die Hauptquelle für neue Themen sind. Die operative Ebene umfasst auch kurzfristige Projekte wie Konferenzen oder Krisensituationen.
Im Gegensatz zur Themenarchitektur sind Themenhaus und Topic Wheel zwar etwas übersichtlicher, aber auch weniger flexibel und bieten wenig Raum für die Planung der einzelnen Kommunikationsmaßnahmen. Da die Themenarchitektur strategische und taktische bzw. operative Elemente umfasst, zeige ich euch im nächsten Absatz, wie man sie entwickeln kann.
Wie entwickelt man eine Themenarchitektur?
Eine erfolgreiche Themenarchitektur entsteht nicht über Nacht. Sie erfordert eine sorgfältige Planung und das Einbeziehen aller relevanten Abteilungen.
Der Prozess kann in den folgenden Schritten erfolgen:
1. Projektteam
Dieses Projekt ist prädestiniert dafür, dass ihr als Kommunikator*innen die Führung übernehmt. Hier habt ihr die Möglichkeit, ein strategisch wichtiges Werkzeug maßgeblich mitzugestalten. Sorgt aber dennoch dafür, dass alle wichtigen internen Stakeholder*innen ihren Input geben können.
2. Narrative
Noch bevor ihr an die Sammlung von Themen geht, solltet ihr euch mit Narrativen beschäftigen. Habt ihr einen Purpose, eine Vision und Mission formuliert? Oder diese sogar zu einem Nordstern-Narrativ für euer Unternehmen zusammengefasst? Was sind die vorherrschenden Narrative in und über eure Organisation, in eurer Branche, bei euren Zielgruppen?
Im nächsten Schritt legt ihr fest, welche Narrative für euch in strategischer Hinsicht am wichtigsten sind. Das Ziel eurer Kommunikation wird fortan sein, diese Narrative zu beeinflussen, zu verändern oder zu stärken.
Diese Narrative geben den Themen Sinn und emotionale Tiefe. Sie sind es, die den Menschen im Gedächtnis bleiben und die Verbindung zwischen dem Unternehmen und seinen Zielgruppen stärken. Während die Themenarchitektur für Struktur und Kohärenz sorgt, schaffen Narrative die notwendige emotionale Bindung und den Bezug zu den übergeordneten Unternehmenszielen.
Starke Narrative sind es, die sich schützend um die Reputation eines Unternehmens legen können. In seinem Buch „The Narrative Age“ bezeichnet Frank Wolf dieses Konzept als „Narrative Moat“ – zu Deutsch „Narrativer Wehrgraben“ oder sinngemäß „Narrativer Wettbewerbsvorteil“. Denn die Reputation entscheidet nachweislich über die Treue der Kundschaft, die Anzahl an Bewerber*innen, die Mitarbeiterbindung und das Vertrauen von Investor*innen.
3. Themensammlung
Von den ermittelten Narrativen lassen sich nun eine ganze Reihe Themen ableiten. Außerdem ergeben sich weitere Themen durch die Geschäftsbereiche eures Unternehmens. Sammelt alle diese Themen und ordnet sie anschließend in Cluster ein.
4. Priorisierung und Strukturierung
Mithilfe der Unternehmensstrategie, Vision und Mission bzw. Nordstern-Narrativ sowie den von euch zuvor als strategisch wichtig identifizierten Narrativen priorisiert ihr die Themencluster. Wo sind die größten Schnittmengen zwischen Unternehmensschwerpunkten und den Themen der Zielgruppen und der Gesellschaft?
Dies sind eure Dachthemen. Mehr als sechs Dachthemen sollten es nicht sein. Auf der nächsten Ebene listet ihr zu allen Dachthemen etwas konkretere Subthemen auf. Formuliert sowohl für die Dach- als auch für die Subthemen zentrale Standpunkte und Botschaften.
5. Überprüfung und Anpassung
Eine Themenarchitektur muss regelmäßig überprüft und angepasst werden, um sicherzustellen, dass sie weiterhin relevant ist. Gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technologische Entwicklungen können es notwendig machen, Themen und Narrative anzupassen.
Fallstricke vermeiden
Ein paar Fehler solltet ihr bei der Entwicklung einer Themenarchitektur tunlichst vermeiden.
- Themen nur von der Organisationsstruktur ableiten
- Keine Narrative und Botschaften mit den Themen verbinden
- Nur nach innen schauen und die Themen der Zielgruppen vergessen
- Zu viele Dachthemen setzen
- Themenarchitektur für die Ewigkeit festschreiben
Anwendung im Kommunikationsalltag: Themen- und Redaktionsplanung
Nun geht es in die Umsetzung. Kommunikation sollte immer den Anspruch verfolgen, einen Business Impact zu erzeugen. Wie schafft ihr dies in Marketing, interner und externer Kommunikation am besten? Indem ihr Einfluss nehmt auf die wirkmächtigsten Narrative. Für die Themen- und Redaktionsplanung bedeutet das: Bereitet nicht irgendwelche x-beliebigen Storys auf, die euch vor die Füße fallen. Und lasst euch nicht von Aussagen treiben wie: „Wir müssen diese Woche noch zwei Beiträge im Intranet und fünf auf LinkedIn veröffentlichen. Was könnten wir denn erzählen?“
Geht stattdessen immer vom Narrativ aus. Und von den Dachthemen aus eurer Themenarchitektur. Definiert dann Themenschwerpunkte und leitet Kampagnen ab. Innerhalb dieser Kampagnen entwickelt ihr Storys, die ihr für unterschiedliche Kanäle und Zielgruppen aufbereiten könnt.
Hier seht ihr einmal beispielhaft, wie ihr euch vom Dachthema zu mehreren Storys …
… und von einer Story zu verschiedenen Inhalten vorarbeiten könnt.
Im Idealfall plant ihr eure Kampagnen natürlich nicht auf einem Blatt Papier oder mit Klebezetteln an der Bürowand. Mit Mission Control haben wir eine Software entwickelt, die euch bei der strategischen Planung, der kollaborativen Contentproduktion, der Veröffentlichung und der Wirkungsmessung unterstützt.
Mehr zu Mission Control habe ich in diesem Blogartikel für euch zusammengefasst.
Zusammenfassung
Eine Themenarchitektur schafft Transparenz, Verbindlichkeit, Fokus, Effizienz und Stringenz in der Kommunikation. Sie fungiert als strategisches Framework, das alle Themen und Kommunikationsmaßnahmen eines Unternehmens bündelt und sicherstellt, dass Botschaften konsistent, relevant und auf die Zielgruppen ausgerichtet sind. Damit entwickelt sich die Comms-Abteilung „weg vom Getriebenen, hin zum Gestalter von Kommunikation“.
Eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation benötigt mehr als nur klare Themen – sie erfordert starke Narrative. Diese Narrative sind das verbindende Element, das die Themenarchitektur mit Leben füllt und dafür sorgt, dass die Botschaften nicht nur strukturiert, sondern auch emotional ansprechend sind.
Mit einer durchdachten Themenarchitektur und wirkungsvollen Narrativen könnt ihr sicherstellen, dass eure Kommunikation nicht nur konsistent, sondern auch relevant und erinnerungswürdig ist. Überprüft regelmäßig eure Themen und Geschichten, passt sie an die sich verändernden Bedürfnisse eurer Zielgruppen an, und stellt sicher, dass die Inhalte immer den roten Faden behalten.