Reden wir mal Klartext: Die letzten Jahre waren nicht einfach für die interne Kommunikation. Wenn wir ehrlich sind, war es für uns alle eine schwierige Zeit.
Von der anhaltenden Pandemie und der politischen Polarisierung über den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene humanitäre Krise über die immer schlimmer werdenden Auswirkungen des Klimawandels, die wir beispielsweise am Jahrhunderthochwasser 2021 und der momentanen Hitzewelle direkt erfahren. Über die anhaltende Rezession möchte ich gar nicht weiter nachdenken.
Es gibt wohl kaum jemanden, der nicht direkt vom Weltgeschehen des 21. Jahrhunderts betroffen ist. Vermutlich habe ich einige weitere Katastrophen verdrängt, dabei waren das gerade mal die ersten zwanzig Jahre.
All diese globalen Ereignisse sind oftmals schwer nachzuvollziehen und die komplexen Krisen haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Unternehmenskultur seitens der Mitarbeitenden und ihrer Unternehmen. Interne Kommunikator*innen müssen seit einigen Jahren eine Hiobsbotschaft nach der anderen überbringen und das in einem möglichst beruhigenden Ton. Bedenkt man, dass einige Unternehmen auch noch auf die eine oder andere Art direkte Mitschuld an diesen Vorkommnissen tragen, scheint es beinahe unmöglich, dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Wie also haben Kommunikator*innen die Anforderungen der letzten Jahre erfüllt und Mitarbeitende sowie Unternehmen geholfen, mit der Angst vor Weltgeschehen umzugehen?
Drei Expert*innen für interne Kommunikation haben uns Einblicke in ihren Umgang mit der Angst vor dem Weltgeschehen gewährt und erklärt, wie sie selbst in diesen unsicheren Zeiten mit Unsicherheit umgehen.
Wie kommunizieren wir Weltgeschehen am besten?
Es ist wichtig, ein Gleichgewicht im Umgang mit Weltgeschehen zu finden. Wir sollten ausgelöste Ängste anerkennen und mit Mitgefühl, Neugier und Sorgfalt adressieren. Dabei müssen wir bewusst darauf achten, notwendige Atempausen vom Andrang schlechter Nachrichten zu schaffen.
Denisa Orlandea
Denisa Orlandea, Manager of Internal Communications bei Seaspan ULC, erklärt, dass es in erster Linie wichtig ist, die Relevanz von globalen Neuigkeiten für das Unternehmen und die Mitarbeiter*innen einzuschätzen. Nur so können wir die Art und Weise bestimmen, auf die das jeweilige Weltgeschehen (z.B. der Krieg in der Ukraine oder Neuigkeiten der Corona Pandemie) kommuniziert werden sollte. Nicht jedes Weltgeschehen muss von jeder Organisation angesprochen werden.
Im nächsten Schritt gilt es festzustellen, ob das Ereignis Auswirkungen auf den Betrieb oder dessen Kunden hat. In unserer globalisierten Welt ist alles miteinander verbunden und manchmal sind die Auswirkungen nicht so offensichtlich, wie wir glauben möchten. Dazu gehört die Frage, ob das Ereignis für die Demografie der Mitarbeitenden überhaupt relevant ist. Sollte es Auswirkungen auf das Unternehmen haben, muss der Kommunikationsansatz auf sinnvollem Handeln statt auf Plattitüden basieren.
Denisa sieht einen klaren Trend dahingehend, dass Neuigkeiten von internen Kommunikator*innen als vertraulich wahrgenommen werden. Das geht Hand in Hand mit den Erwartungen, die Mitarbeiter*innen an ihre Organisationen stellen, wenn es darum geht, über gesellschaftliche oder globale Geschehnisse zu berichten. Wenn Unternehmen als glaubwürdige Informationsquelle genutzt werden, haben Unternehmen auch eine größere Verantwortung, dem gerecht zu werden.
Eine der wichtigsten Rollen von internen Kommunikationsexperten besteht darin, Menschen zuzuhören und diese zu verstehen. Wir tun das nicht genug. Zuhören kann und sollte viele Formen annehmen. Hier sollte im Mittelpunkt stehen, womit sich Mitarbeiter*innen wohlfühlen.
Andrea Greenhous
Andrea Greenhous ist Internal Communications Strategist für Vision2Voice Communications. Sie erklärt, dass Organisationen immer aufmerksamer beobachten, welche Auswirkungen globale Ereignisse auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter*innen haben. Es gibt einen merklichen Zusammenhang zwischen Leistung am Arbeitsplatz und Sorgen wegen globaler Krisen. Hinzu kommt, dass jede Person und Organisation anders auf Ereignisse reagiert.
Wir alle sind aus unzähligen Gründen in der Lage, tausende verschiedene Emotionen zu empfinden. Kommunikationsexpert*innen müssen das beachten und Individualität anerkennen. Zu reagieren, als würden alle Mitarbeitenden gleich fühlen, ist unangebracht. Neben globalen Krisen kommen auch noch ganz persönliche Probleme hinzu. Wenn ein geliebter Mensch stirbt oder die finanziellen Sorgen zu groß werden, konzentrieren wir uns weniger auf Unwettervorkommen oder Waldbrände in anderen Ländern.
Als wären direkte Auswirkungen auf unsere psychische Gesundheit nicht genug, werfen Problemherde wie Klimawandel oder das Beliefern von Kriegsgebieten auch Fragen zur Mitschuld von Unternehmen in der Belegschaft auf. Das bringt interne Kommunikator*innen in eine zwiespältige Position. Einerseits möchten sie Mitgefühl für die Sorgen von Mitarbeitenden und Opfern ausdrücken, andererseits müssen sie die Interessen ihres Unternehmens vertreten. Es gilt, auf die Interessen aller Stakeholder zu achten.
Sind Mitarbeiter*innen besorgt oder verängstigt, können sie Heuchelei quasi riechen. Ehrlichkeit ist die beste Taktik in Krisensituationen und sollte möglichst regelmäßig stattfinden und nicht nerven.
Shaun Randol
Shaun Randol, Gründer von Mister Editorial, legt großen Wert auf Authentizität in der internen Kommunikation. Führungskräfte sollten Fragen der Belegschaft wann immer möglich offen und ehrlich beantworten. Echte Authentizität und Emotionen lassen sich nicht vortäuschen. Die eigene Emotionalität und Verwundbarkeit zu zeigen, lässt Mitarbeiter*innen hinter die Kulissen blicken und gibt ihnen die Möglichkeit, Sympathie zu empfinden. Nur so kann eine Beziehung zum Unternehmen und dessen Kultur aufgebaut werden.
Außerdem hilft dieser Ansatz Mitarbeitenden dabei, Krisensituationen besser zu verstehen und räumt dem Unternehmen zusätzliche Zeit ein, auf diese zu reagieren. Persönliche Zusprache in Meetings oder Town Halls von Management oder Geschäftsführung gibt Gelegenheit, auch Körpersprache zu nutzen, um authentisch zu kommunizieren. Bei virtuellen Live-Sessions sollte die Kamera aus demselben Grund mehr vom Körper des Redners zeigen.
Wie Andrea macht auch Shaun darauf aufmerksam, dass Mitarbeiter*innen ihre ganz individuellen Probleme haben. Die größten Sorgen bleiben Entlassungen und Rezession. Unabhängig davon, was in den Nachrichten passiert, wollen Belegschaften wissen, ob Jobs und Existenzen gefährdet sind. Der Zustand des Unternehmens wird in der internen Kommunikation immer wichtiger bleiben als das Weltgeschehen, denn Mitarbeiter*innen wollen ihren Lebensunterhalt sicher wissen. Daher sollten interne Kommunikator*innen sich in erster Linie mit dem Unternehmen beschäftigen und entsprechend priorisieren.
Wie gehen wir am besten mit Ängsten vor Weltereignissen um?
Die Fluggesellschaften machen es richtig: Wir sollten zuerst unsere eigene Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor wir anderen helfen. Wir können uns nicht um andere kümmern, wenn wir uns nicht um uns selbst kümmern, und wir können unsere beste Arbeit nur leisten, wenn wir gesund und ausgeruht sind.
Denisa Orlandea
Der erste Schritt im Umgang mit Ängsten besteht darin, sich ein gutes Bild über Befürchtungen und Meinungen von Mitarbeiter*innen zu verschaffen. Denisa empfiehlt, Stimmungsschwankungen dank Mitarbeiterbefragungen und Puls-Checks zu überschauen, um Ängste über einen Zeitraum hinweg zu verstehen. Doch damit das gelingen kann, muss zuallererst eine Firmenkultur geschaffen werden, in der Mitarbeiter*innen sich auch trauen, Erfahrungen und Ängste zu teilen.
Immer zu gewissen Zeiten oder in geregelten Abständen zu kommunizieren kann helfen, ein Gefühl der Sicherheit zu schaffen. Ein festgelegter Kanal, über den Updates kommuniziert werden und über den Mitarbeitende Fragen stellen können, kann viel bewirken. Geregelte Kommunikation bietet die Möglichkeiten, Daten und Feedback zu sammeln und einen Überblick zu behalten.
Die beste Art sich in Mitarbeiter*innen hineinzufühlen sind allerdings direkte Ansätze wie persönliche Check-ins zwischen Managern und ihren Teams oder alternativ das Sammeln von Feedback dank Employee Resource Groups (ERG) innerhalb des Unternehmens. Insgesamt sollten interne Kommunikationsexpert*innen Situationen mit hohem Angstniveau dank Empathie, Geduld und einem offenen Ohr angehen.
Manager müssen in der Lage sein, offene und psychisch rücksichtsvolle Gespräche mit ihren Mitarbeiter*innen zu führen. So wird ein individueller und personalisierter Ansatz der Kommunikation geschaffen.
Andrea Greenhous
Andrea sieht Zielführung im Unternehmen als Leitweg Mitarbeiter*innen über Unsicherheiten hinweg zu helfen. Das bedeutet, in der Belegschaft den Wunsch zu wecken, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Die Interviewstudie von Frontiers in Psychology zeigt, dass Zweck und sog. Purpose einer Organisation eng mit Rechenschaftspflicht und gesellschaftlicher Verantwortung verbunden sind.
Zweckorientierte Führung muss die persönlichen Überzeugungen der Mitarbeiter*innen beinhalten, damit sie motivieren kann. In Fragen der globalen Not und den ausgelösten Unsicherheiten hilft das, den Fokus im Auge zu behalten. Zu wissen, dass die eigenen Ziele mit denen des Unternehmens übereinstimmen (z.B. bei Sorgen um den Klimawandel sehen, dass CO2-arme Alternativen in der Produktion genutzt werden), kann helfen Sorgen zu mindern.
Andrea betont auch die Rolle, die Unternehmenskultur hier spielen kann: Die Pflege eines hohen Maßes an psychologischer Sicherheit und der Aufbau einer Lern- und Wachstumsmentalität können Organisationen dabei helfen, sich auf Veränderungen vorzubereiten. Die Tatsache, dass wir in einer kurzlebigen, komplexen und vielschichtigen Welt der Unsicherheiten leben, bedeutet, dass Organisationen und Menschen weiterhin lernen und sich anpassen müssen.
Wer die Nachrichten verfolgt, den werden globale Krisen nicht unerwartet treffen. Sich entsprechend vorzubereiten und interne Memos im Vorfeld zu schreiben hilft, Ängste besser zu adressieren. So können Kommunikatoren direkt in den Krisenmodus wechseln, statt in Momenten der Angst zu kommunizieren.
Shaun Randol
Beim Schauen der Nachrichten sollte geplant und sich vorbereitet werden. Shaun weist darauf hin, dass Krisen wie der Ukraine-Krieg sich schon lange vorher in den Nachrichten anbahnen. Russland hat vor der Invasion monatelang seine Militärpräsenz an der ukrainischen Grenze aufgebaut. Er sieht es als die Aufgabe von Kommunikator*innen, den Überblick zu behalten und ein Statement parat zu haben. Alles andere, sagt er, wäre Versäumnis der eigenen Pflichten.
Die interne Kommunikation muss mit Worst-Case-Szenarien arbeiten, wenn es zu Weltgeschehen kommt. Kommunikator*innen, die mit Mitarbeitenden in Kontakt stehen, die in potenziell von Krisen betroffenen Gebieten arbeiten oder Verbindungen zu diesen Ländern haben, sollten immer einen Entwurf parat haben. Auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, hilft, einen klaren Kopf zu bewahren und voreilige Fehler zu vermeiden.
Wie gehen interne Kommunikator*innen am besten mit ihrer eigenen Angst um?
Wir müssen besser darin werden, unsere eigenen Ratschläge zu befolgen. Außerdem müssen wir die gut ausgearbeiteten Ressourcen zu Themen wie Wohlbefinden und psychischer Gesundheit nutzen, die wir für unser Publikum zusammengestellt haben.
Denisa Orlandea
Die vielen komplizierten und anhaltenden Krisen haben deutlich gemacht, dass Kommunikator*innen genauso das Publikum ihrer eigenen Kommunikation sind, wie auch die Mitarbeiter*innen mit denen sie arbeiten. Denisa erinnert uns daran, dass Kommunikator*innen in Zeiten von Unsicherheit und Ungewissheit genauso stark von Weltereignissen beeinflusst werden wie alle anderen auch. Doch müssen Kommunikator*innen zusätzlich die Auswirkungen dieser Ereignisse auf ihre Organisationen und Kunden durchdenken. Der Stress summiert sich.
Eine Lösung könnte sein, die eigenen Gefühle anzuerkennen und Geduld mit sich selbst zu haben.
Andrea glaubt fest an die Kraft des menschlichen Einfallsreichtums. Sie versucht, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die sie kontrollieren kann und für die sie dankbar ist. Wenn sie mit globalen Problemen wie dem Klimawandel konfrontiert wird, versucht sie, ihren Teil beizutragen. Es gibt immer Lösungen und Lösungsansätze, selbst für so große Probleme wie die globale Erwärmung.
Das Geheimnis ist, mit der Suche nach Lösungen zu beginnen, die in unserer eigenen Macht liegen. Obwohl sie als Kanadierin weit von den Geschehnissen Europas entfernt zu sein scheint, hat der Ukraine-Krieg Andrea hart getroffen. Zuallererst hat sie sich Zeit genommen, die Neuigkeiten zu verarbeiten. Dann begann sie zu recherchieren, wie sie helfen könnte. Andrea sprach mit ihrem Team und schuf einen sicheren Raum, um Ängste und Befürchtungen zu kommunizieren.
Meine Großmutter war Ukrainerin und ich habe versucht, Familienmitglieder aufzuspüren. Ich habe mir große Sorgen darüber gemacht, dass entfernte Verwandte gerade eine solche Krise durchmachen müssen. Ich habe zugeschaut, mich informiert und mich ein paar Tage unproduktiv sein lassen.
Andrea Greenhous
Um angemessen zu kommunizieren und mit den unterschiedlichen Anforderungen der vielen Stakeholder gerecht zu werden, müssen Kommunikator*innen erst einmal tief durchatmen und sich auf ihre eigenen Sorgen konzentrieren. Das ist nicht immer einfach, aber es ist ein Schritt, der getan werden muss.
Die nächste Krise wartet schon?
Interne Kommunikation wird immer eine Mischung aus Alltäglichem und vielschichtigen Problemen sein, die das Unternehmen auf unvorhergesehene Weise beeinflussen. Die richtige Balance zwischen all den unterschiedlichen Anforderungen zu finden, erfordert Zeit und Mühe. Gute Kommunikation ist ein Handwerk und Expert*innen sollten sich darüber im Klaren sein, dass das Beste, was sie tun können, die Pflege der eigenen psychischen Gesundheit bleibt.
Es beginnt damit, wie Kommunikator*innen mit ihren eigenen Ängsten umgehen. Die nächste Krise steht sicher schon vor der Tür. Die Frage ist, wie wir darauf reagieren wollen.
Lesen Sie auch die anderen Artikel unserer Kampagne über mentale Gesundheit in der internen Kommunikation:
- Was ist Resilienz – und wie stärkt sie deine psychische Gesundheit?
- Das Hochstapler-Syndrom – So können Kommunikator*innen es erfolgreich überwinden
- DEI-Kommunikation: Verbessern Sie die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
- Die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz fördern? Das geht jeden etwas an!
Wenn Sie mehr über das Stärken Ihrer Resilienz lernen möchten, melden Sie sich für unseren E-Mail-Kurs an. Vier E-Mails. Vier Wochen. Praktische Tipps, die Sie in Ihrem Alltag anwenden können.
Jede Woche werden Sie lernen:
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