In einem Corporate Newsroom führt ein Unternehmen Mitarbeitende aus allen Bereichen zusammen, um alle – intern sowie extern – relevanten Themen besser zu steuern und Kanäle zielgruppengerecht zu bespielen. Auch ewz, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, hat sich für eine Newsroom-Arbeitsweise entschieden. Esther Peter, Content-Spezialistin und Hauptverantwortliche für die ewz-Newsroomeinführung, spricht im Interview über den Projektverlauf, das Finden von passender Software und das Überwinden von Stolpersteinen.
Das Interview führte Eliane Knecht, Head of Analytics & Consulting bei ARGUS DATA INSIGHTS. Es erschien im Mai 2021 in der fünften Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom.
Warum haben Sie sich bei ewz für ein Newsroom-Konzept entschieden?
Esther Peter: Schon vor einigen Jahren, als sich immer mehr Unternehmen an Newsroom-Modelle annäherten, sahen wir die Vorteile davon, unsere Kommunikation zentraler und transparenter zu organisieren. Weniger in den einzelnen Marketing- und Kommunikationsdisziplinen und Geschäftsbereichen, sondern an einem Tisch, mit engerem Austausch. Damals waren wir mit dieser Idee noch etwas zu früh. Das Tempo und die Transparenz, die man durch einen Corporate Newsroom erreichen will, sind Vorteile, das Team und auch das Management müssen jedoch gemeinsam dafür bereit sein. Anfang 2020 haben wir dann mit der konkreten Konzeption begonnen.
Welche Vorteile haben Sie sich von einem Corporate Newsroom erhofft?
Unsere Vision lautete „Gemeinsam wollen wir relevanter, integrierter, transparenter, schneller und vor allem wirkungsvoller nach innen und außen kommunizieren und dabei Synergien nutzen“. Das klingt nach Buzzword-Bingo, wir hinterlegten aber zu jedem Begriff sehr klare Ambitionen.
Relevanter, weil datenbasiert, strategisch richtig und aktuell. Integrierter, weil zeitlich, kanal- und themenbezogen noch besser ausgewählt beziehungsweise abgestimmt. Transparenter, weil in direktem Austausch UND mit einem intuitiv zu bedienenden Tool arbeitend – zugänglich für alle. Damit sind die Teammitglieder aus den Abteilungen Marketing und Kommunikation sowie Media & Public Affairs gemeint, genauso wie die Vertreter*innen aller Geschäftsbereiche und Agenturen plus ewz-Management. Schneller, weil zum Beispiel das Monitoring und crossmediales Posten mit wenigen Klicks möglich ist und weil uns die Bündelung von Anfragen im Tool effizienter macht. Wirkungsvoller, weil publikumszentriert und mit geteiltem Wissen.
Wie schlägt sich das in der Praxis nieder?
Im Alltag bedeutet dies heute, dass beispielsweise auch jemand aus dem Verkauf sehen kann, was unsere Communities in den sozialen Medien liken, teilen und kommentieren. Das lohnt sich sowohl für die kommunikative Umsetzung der Unternehmensstrategie als auch für das Zusammenwachsen der einzelnen Teams aus den verschiedenen Bereichen. Wir glauben, auf diese Weise mehr Verständnis füreinander und die vielen wichtigen Themen zu schaffen. Jede und jeder sieht sich dadurch etwas mehr als Teil des Großen und Ganzen.
„Wir wollten von der Erfahrungen anderer lernen.“
Esther Peter, ewz
Was waren die ersten Schritte, als die Entscheidung für den Newsroom gefallen war?
Unser Kernteam bestand aus drei Personen und wir stellten uns zuerst die Fragen: Was versteht jede und jeder einzelne von uns unter dem Newsroom-Konzept? Und wie wollen wir die Arbeitsweise für uns definieren? Denn jeder Corporate Newsroom ist von Unternehmen zu Unternehmen sehr individuell zu gestalten. Deshalb wollten wir noch vor den ersten eigenen Konzepten und Präsentationen gerne von den Erfahrungen anderer lernen, um unterschiedliche Aspekte für ewz zu bedenken.
Wie ging es dann weiter?
Wir kontaktierten eine Handvoll Unternehmen, von denen wir persönlich oder aus Medienberichten wussten, dass sie bereits jahrelang mit Newsroom-Konzepten arbeiten. Die offenen Türen und durchweg selbstkritischen Einblicke halfen uns enorm, verschiedene Formen, Abläufe und Organisationsmöglichkeiten zu verstehen. Die Kolleg*innen beantworteten uns Fragen wie: Wovon profitieren das Unternehmen und die Teammitglieder rückblickend am meisten? Welches waren die wichtigsten Learnings und Stolpersteine? Wir hatten den Eindruck, sehr ehrliche Antworten zu erhalten – das war ein großes Glück und prägte unsere nächsten Schritte wesentlich.
Was waren die wichtigsten Tipps, die Sie erhalten haben?
Es waren drei Tipps, die uns während des ganzen Prozesses geholfen haben und auch heute noch helfen. Erstens: „Das Mindset ist der Gamechanger.“ Ohne die richtige Denkweise und Vision als ganzes Team klappt es nicht. Zweitens: „Die Lernphase dauert an.“ Auch wir lernen heute noch jede Woche, jeden Tag dazu. Und drittens: „Ein Raum ist praktisch, aber nicht notwendig.“ Leute, die normalerweise nichts mit der Kommunikation zu tun haben, dachten vielleicht zuerst, dass wir uns tatsächlich einen Newsroom bauen wollen. Dieser Tipp hat geholfen, unser Vorhaben sehr explizit und die Ambitionen möglichst früh klar zu beschreiben. Wir verdeutlichten damit, dass es nicht um den Raum oder Tisch, sondern um die Arbeitsweise geht. Und dass das gesamte Unternehmen davon profitiert, wenn es uns gelingt, das Orchestrieren aller Themen zentralisierter und transparenter zu gestalten.
Bitte umreißen Sie grob den Projektablauf bis zur Einführung des Newsrooms.
Wir haben unsere Vision evaluiert und Prozesse vorgeschlagen, um sie mit den vorgesetzten Stellen zu justieren und festzulegen. Danach ging es ans Testen der möglichen Tools. Der letzte Step war, dass wir alle betroffenen Mitarbeitenden persönlich informiert und geschult haben, bevor wir den Newsroom im August 2020 gemeinsam starteten.
Wie haben Sie sich für die geeignete Newsroom-Software entschieden?
Wir haben passend zu den Abläufen und Zielen einen Anforderungskatalog erstellt: Was brauchen wir wirklich? Was brauchen wir nicht? Der Schlussentscheid für ein Tool fiel dann vor allem aufgrund der einfachen Bedienbarkeit und der nutzerfreundlichen Previews. Wir wollten, dass sich möglichst alle darauf freuen, mit dem Tool zu arbeiten. Schließlich will die Einführung noch eines Tools wohlüberlegt sein.
Wie verlief der Auswahlprozess der Tools?
Für uns war klar, dass die Software unsere Bedürfnisse abdecken muss – und wir nicht umgekehrt zuerst ein hübsches Tool wählen und dann die Prozesse und Verantwortlichkeiten darum herum bauen. So evaluierten wir in diesem Schritt verschiedene Anbieter und schlossen alle bis auf zwei aus. Diese beiden testeten wir. Bei dem einen haben wir auch nach drei Schulungen noch nicht ganz durchgeblickt, worauf ich die Notbremse gezogen und das Kernteam angerufen habe: „Würdet ihr das Tool heute dem Team und der Geschäftsleitung zeigen wollen?“ Julia Weber, unsere Social-Media-Verantwortliche, sowie Thöme Jeiziner, Mediensprecher, haben es verneint. Daraufhin haben wir die weiteren Schulungen abgesagt. Wir müssen das Tool als Superuser so richtig gerne bedienen und die Teammitglieder in maximal einer Stunde zu den wichtigsten Funktionen schulen können. So haben wir uns ganz eindeutig für dirico (Anm. d. Red.: Die Software dirico wurde nach der Übernahme durch Staffbase in Communications Control umbenannt. Mittlerweile existiert mit Staffbase Mission Control ein Nachfolgeprodukt.) mit der Betreuung durch ARGUS DATA INSIGHTS entschieden, weil es kann, was wir brauchen – und mehr. Heute wissen wir, dass es die richtige Entscheidung war.
Wo stehen Sie jetzt und was sind die nächsten Schritte?
Wir sind nun die ersten Monate im neuen Setting unterwegs und meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg. Gerade sind wir dabei, eine kurze Umfrage zu gestalten, in der uns alle Mitglieder ehrlich mitteilen können, was es ihnen wirklich bringt und welche Optimierungsmöglichkeiten sie sehen.
Was sagt Ihr Bauchgefühl, welche Ergebnisse wird die Umfrage bringen?
Ich denke, das wird sehr individuell sein – so, wie auch die Kommunikationsbedürfnisse der unterschiedlichen Geschäftsbereiche sehr variieren. Von einigen Leuten wissen wir bereits, dass sie es super finden, weil sie sich viel mehr integriert fühlen. Andere haben angemerkt, dass ihre Zeit für das wöchentliche Newsroom-Meeting knapp sei. Da müssen wir noch einmal genauer hinschauen, was wir verbessern können, um den Nutzen für die eingebrachte Zeit zu erhöhen. Oder vielleicht mit Stellvertretungen arbeiten. Ich bin sehr gespannt, wie die Umfrage ausgehen wird und welche Lösungen wir finden.
„Nur mit Teamspirit kann ein Newsroom erfolgreich sein.“
Esther Peter, ewz
Wann ist das Projekt beendet?
Der Newsroom ist für mich kein Projekt, denn ein Projekt hat per Definition immer ein Ende. Für uns ist es eine Arbeitsweise, die man immer an die Herausforderungen des Unternehmens und der Märkte anpassen kann und optimieren muss. Stillstand und Newsroom passen nicht zusammen – zudem hatte unser Leiter Media & Public Affairs, Harry Graf, recht, als er sagte: „Man muss mal loslegen und es einfach tun.“
Was sind die Learnings, die Sie weitergeben würden?
Ich würde drei Tipps weitergeben, erstens: Zuhören lohnt sich enorm. Die Erfahrungen der anderen Unternehmen – positive wie negative – haben einen hohen Wert für uns. Und man muss ja nicht jeden Fehler selber machen. Zweitens: Das Management muss im Boot sein. Wenn die Geschäftsführung den Nutzen ebenfalls sieht, können sich alle involvierten Teams im Unternehmen besser abgestimmt bewegen. Und last but not least: Teamspirit! Nur so kann ein Newsroom erfolgreich sein. Wir brauchen die Ideen und das Setting aller, damit ein Nutzen für das Unternehmen entsteht.
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