Dieser Artikel, verfasst von Marcus Schwarze, erschien im Mai 2022 in Corporate Newsroom #6. Weitere Themen der Ausgabe:
Eine Vollzeit-Corporate-Influencerin für OTTO, Newsroom-Einführung bei REWE und apetito, mehr Polizei auf Social Media und vieles mehr – jetzt das PDF herunterladen.
Das Buch für Kommunikationsverantwortliche und nicht nur die
Wer sich in der Kommunikationsbranche auskennt, kommt an Christoph Moss nicht vorbei: Der Professor für Kommunikation und Marketing an der International School of Management in Dortmund hat mit dem Buch „Der Newsroom in der Unternehmenskommunikation“ bereits 2015 das Standardwerk für die Einführung eines Newsrooms in Unternehmen verfasst. Die nun vorliegende englische Version „The Corporate Newsroom: Steering Companies Efficiently Through Communication“ ist vollständig aktualisiert und mit neuen Inhalten und Kapiteln versehen.
So ergänzen neue Fallbeispiele von der niederländischen Polizei, der R+V Versicherung und der Swiss Life die theoretischen Überlegungen. Allein bei der Polizei in den Niederlanden gibt es zwölf regionale Newsrooms neben einem zentralen Corporate Newsroom, in denen insgesamt 50 bis 60 Menschen arbeiten. Über Social-Media-Accounts bei Twitter, Instagram, LinkedIn, Facebook, YouTube und Snapchat erreicht die Polizei dort regelmäßig 50.000 bis 500.000 Menschen – zu 80 Prozent mit geplanten Inhalten, zu 20 Prozent mit ungeplanten, etwa wenn Kriminelle von Haus zu Haus gehen und vorgeben, wegen angeblicher Coronainfektionen die Temperatur messen zu wollen und anschließend Geld stehlen. Entsprechende Warnungen an die Bevölkerung gehören dann zum Tagesgeschäft.
Im Theorieteil geht es nicht weniger handfest zur Sache. Newsrooms sind Change-Projekte, in denen so gut wie immer Silos von einst getrennten Abteilungen aufgelöst und zusammengeführt werden. „Es wird keinen Newsroom geben und auch keinen Managing Editor“, heißt es da schon mal kontrovers und abwehrend bei der Einführung. Die Angst vor dem Wandel und die Sorge, Kontrolle und Macht zu verlieren, kennzeichnen laut Christoph Moss zahlreiche Newsroom-Projekte. Wie ein roter Faden ziehen sich daher klare Aufgabenverteilungen, Zuständigkeiten und zu definierende Prozesse durch das 154-seitige Buch.
Die Strukturen zu entwickeln und aufzuzeichnen, ist dabei das eine, sie im Alltag mit Leben zu füllen, das andere – bis hin zu Gesprächsregeln („Wir kritisieren Inhalte im moderaten Ton und werden dabei nie persönlich“) und Metriken zur Messung der Effizienz: Wie gut passt ein bestimmtes Thema in die Unternehmensstrategie? Wie stark hilft das Thema, ein Geschäftsziel zu erreichen? Wie relevant ist es für die Zielgruppe?
Der starke Praxisbezug des Leitfadens dürfte vielen Kommunikationsverantwortlichen eine Hilfe sein und nicht nur ihnen: Am Ende entsteht ein Gesamtbild von verteilten Verantwortungen für viele einzelne Aspekte; darin hat auch der kleinste kritische Tweet von außen seinen Platz, per Bearbeitung durchs Community-Management einen definierten Prozess und durch eine nur vermeintlich kleine Verantwortlichkeit eine Verknüpfung bis hin zur obersten Unternehmensstrategie.
Das Buch für Pinnerinnen und Pinner mit Geschäftssinn
Pinterest ist mehr als eine Plattform für schöne Bilder, Rezepte und Haushaltstipps. Pinterest taugt als visuelle Suchmaschine und somit als Traffictreiber für Webseiten – und damit fürs Geschäft. Wie das geht, erklären Franziska von Lienen und Natalie Stark auf 382 Seiten in dem Buch „Pinterest-Marketing: Strategie, Umsetzung, Best Practices“.
Es richtet sich an die vorsichtige Beginnerin, den ratlosen Macher und die bereits erfolgreiche Fortgeschrittene auf Pinterest, und so beschreiben die Autorinnen zunächst die Elemente eines Standard-Pins und das Anlegen eines verifizierten Unternehmensprofils. Sie vergleichen die „Halbwertszeit“ eines Pins (3,5 Monate) mit einem Tweet (24 Minuten) und einem Facebook-Post (90 Minuten). Schon bald lesen wir mehr über die Customer-Journey auf Pinterest, Statistiken (Pinterest zählt 14,6 Millionenmonatlich aktive Nutzer*innen in Deutschland) und erstaunliche Erkenntnisse: „Social Shopping beginnt weit vor dem Kaufabschluss, und genau das ist eine der Stärken von Pinterest“, schreiben von Lienen und Stark.
Dass hierbei Frauen stärker als Männer erreicht werden, ist ein wesentlicher Charakterzug der Plattform. Wie man seine Zielgruppen entsprechend anlegt, liefern die Autorinnen als Anleitung mit. Auch beispielhafte Redaktionspläne und Hilfen für die Wettbewerbsanalyse sind im Buch enthalten, außerdem Optimierungstipps für besser auffindbare Pins und die Nutzung von Signalwörtern. Allein die Fülle an Gestaltungstipps mit zahllosen Screenshots gelungener und auch misslungener Pins ist die Lektüre wert.
Das Buch zeigt viele Beispiele erfolgreicher Akteur*innen auf Pinterest, genannt seien hier etwa die „Kitchen Stories“ (Kochrezepte-App, 64.800 Follower, mehr als 10 Millionen monatliche Abrufe). Was man sich fürs eigene Marketing abschauen sollte, empfiehlt das Buch ausführlich.
Mehr Lesestoff gefällig? Werfen Sie einen Blick in die sechste Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom.
Auf einen Schlag 115 sofort umsetzbare Marketing-Tipps
„Snackable Content“ ist der Inhalt für den kleinen Lesehunger zwischendurch. Dem OMT-Team rund um Gründer und Herausgeber Mario Jung ist ein E-Book gelungen, das 115 „sofort umsetzbare“ Marketing-Tipps versammelt. Mit einem Preis von 29 Euro ist es nicht eben günstig, doch geht der Erlös an wohltätige Zwecke.
Die Marketingtipps passen dabei jeweils auf ein bis zwei Seiten und wurden von unterschiedlichen Marketingfachleuten geschrieben. Ein Beispiel: SEO-Experte Vincent zu Dohna hat Erkenntnisse entdeckt, wonach eine Ladezeit-Reduzierung einer Website um nur 100 Millisekunden die Verkäufe darüber um ein Prozent anheben kann. Ein einfacher Website-Code von der Seite https://instant.page ist in der Lage, eine Webseite bereits dann vorzuladen, wenn Nutzer*innen über einem Suchergebnis oder dem Link zur Webseite hovern. Wir haben nun nicht im Einzelnen getestet, wie gut dieser zwei Jahre alte Code funktioniert, eventuell gibt es in aktuelleren Versionen des eingesetzten CMS ähnliche Mechanismen. Der grundlegende Tipp für eine schnellere Ladezeit dürfte aber zutreffen.
Weitere Tipps heißen zum Beispiel „In sieben Schritten zur geilen Headline“, „Vertrauen in Deinen Online-Shop erhöhen“ oder „Recycle Deinen Content“. Jeweils angehängt an die einzelnen Tipps ist eine Verknüpfung zum LinkedIn-Profil des oder der Autor*in.
Neues Standardwerk: „Social Media Für Behörden“
Spätestens seit Corona kommen Behörden und Partner an Social Media nicht mehr vorbei. Ob Bundesgesundheitsministerium oder Landesregierung, Stadtverwaltung oder öffentliches Nahverkehrsunternehmen – alle waren von neuen, sich auch immer wieder ändernden Regeln in der Pandemie betroffen. Die mussten schnell und gezielt kommuniziert werden. Manche Behörden liefen in der Corona-Krise zur Höchstform auf. Mit dem Buch „Social Media für Behörden“ ist es Christiane Germann und Wolfgang Ainetter gelungen, ein neues Standardwerk für die Arbeit von Behörden in den sozialen Medien zu verfassen.
Auf 423 Seiten beantworten sie Fragen nach dem Personalbedarf, welche Talente gebraucht werden und wie ein Social-Media-Team aufgestellt sein muss, um auf Facebook und Co. erfolgreich zu sein. „Müssen wir da etwa antworten?“, zitieren sie provokativ in einem Kapitel eine gängige Frage mancher Behördenleitung. Die Antwort ist schneller gesagt als umgesetzt: „Sobald Sie einen Account in einem sozialen Netzwerk eröffnen und dort Beiträge posten, wird das als Einladung zum Dialog aufgefasst.“
Doch wie soll man als Behörde auf Social Media antworten? Germann und Ainetter geben einen überraschenden Ratschlag: Mach die Merkel! Man solle sich die langjährige Bundeskanzlerin vorstellen, wie sie besonnen, überlegt, ruhig und sachlich antwortet und erklärt. Freundlich und serviceorientiert, „Erklären, erklären, erklären Sie!“, fordern die Autor*innen.
Anhand vieler Beispiele veranschaulicht das Buch gute und schlechte Social-Media-Arbeit. Da postet etwa die Stadt Königswinter in NRW eine Warnung vorm Baden im Rhein und erntet einen kritischen Kommentar, weil Kinder zurzeit nicht ins Kinderschwimmbecken des örtlichen Schwimmbads gehen könnten. Das Social-Media-Team klärt, dass sich einen Tag später entscheide, wann das Becken wiedereröffnet wird – dafür gibt’s ein Herz von der Kritikerin. Ein Negativbeispiel bringt dagegen das Bundeswirtschaftsministerium, das umständlich mit nichtssagenden Textbausteinen auf eine Kritik reagiert. Echter Bürgerdialog geht anders.
Solche praxisnahen Hinweise durchziehen das gesamte Buch. In einem Kapitel gibt es Empfehlungen für Diskussionsregeln („Netiquette“), im nächsten Leitlinien beim Community-Management. Soll man seine Leser*innen duzen wie das Bundesfinanzministerium und Ikea? Oder siezen wie die Polizei Berlin, obwohl laut Umfragen drei Viertel der Facebook- und 82 Prozent der Instagram-Nutzer*innen das Du befürworten? Die Autor*innen empfehlen dennoch das Sie: „Wir finden es einen Bruch, wenn Sie Bürger*innen, die persönlich in Ihr Amt kommen, mit Sie begrüßen – und dieselben Personen wenig später in den sozialen Kanälen duzen.“
Sie klären zudem die Frage, wem ein Behördenaccount selbst folgen sollte – nämlich ausschließlich Accounts, die ihrem Betreiber einen Mehrwert bieten oder zur Wunsch-Community gehören. Parteiaccounts sollten nicht dazu gehören, weil Behörden neutral sein sollen. Gleiches gilt fürs Teilen von Inhalten anderer.
Praktische Ratschläge umfassen die Gestaltung von Behördenlogos in Profilen, die Nutzung von „Call to action“-Posts und die Einrichtung von Follower-Treffen und Instawalks, um die Community bei Laune zu halten. Ein anderes Kapitel schlägt einen Überlebensplan zur Abwehr eines Shitstorms vor. Dazu gehören etwa interne Kommunikationswege für Krisenfälle und Überstundenfestlegungen für Extremsituationen. Auch hierbei sparen die Autor*innen nicht an Beispielen.
Weitere Kapitel erklären den Umgang mit Hass im Netz und mit Verschwörungstheorien, welche Ziele und Zielgruppen sich Behörden im Netz vorknöpfen sollten und welche Kennzahlen dafür beobachtet werden sollten. Die wichtigsten sozialen Netzwerke werden ausführlich charakterisiert, und mehrere Kapitel widmen sich der Frage, wie man trockene Behörden-Themen spannend erzählt. Menschen, Emotionen, konkrete Hilfs- und Serviceangebote sowie Lernbeiträge mit Erklärungen nennt das Buch und veranschaulicht es an vielen Beispielen. Da lernen auch Corporate Newsrooms von Nichtbehörden manches Neue.
Ein tiefgreifendes Interview mit Christiane Germann über Social-Media- und Community-Management bei Behörden finden Sie hier.
Das Content-Marketing-Kompendium zum Lernen und Fortbilden
Als dieser Beitrag über das Buch von Stefan Ascherl, das „Content Marketing Kompendium“, als Blog-Artikel veröffentlicht wurde, erhielt er über unser Print-Magazin „Corporate Newsroom“ hinaus eine neue Sichtbarkeit: Zwei und mehr Jahre sollte der Text eine gewisse Relevanz für Leser*innen haben, die sich für das 254 Seiten starke Buch interessieren. So viel beträgt die ungefähre Halbwertszeit für Blogbeiträge, sofern sie per Google auffindbar sind. Im Gegensatz dazu beträgt die Haltbarkeit eines Pinterest-Beitrags vier Monate, eines LinkedIn-Textes 24 Stunden, eines Facebook-Beitrags fünf Stunden und eines Tweets zum Buch 18 Minuten.
Solche und mehr Erkenntnisse hat Ascherl in seinem Kompendium systematisch und mit vielen Screenshots und Beispielen zusammengestellt. Für Einsteiger und Fortgeschrittene ist das Buch eine wunderbare Anleitung ins digitale Marketing. Erklärt werden Strategie, Audit, Zielgruppen und Marken sowie bei der Produktion von Inhalten die Besonderheiten von Text, Bildern, Videos und Audio. Interviews mit Fachleuten ergänzen das Werk, und im Kapitel über Marketing und Distribution geht es ans Eingemachte: „Content Seeding“ in „Owned“, „Earned“ und „Paid Media“ übersetzt der Autor allgemeinverständlich in praktische Beispiele. Für die Gestaltung einer Website und einer Landingpage für bestimmte Inhalte widmet er sich den wichtigsten Aspekten bis hin zu SEO-Einstellungen und Keywords.
Das Kapitel über Social Media schließlich erörtert die Besonderheiten einzelner Plattformen und Kanäle und mündet in der Vorstellung der wichtigsten Kennzahlen, um den Erfolg eigener Veröffentlichungen zu messen und zu bewerten. Da steckt viel Fachwissen im Buch, das immer wieder konkrete Beispiele ergänzt und zum Lernen anregt.
Um humorvolle Spitzen ist Ascherl auch nicht verlegen, wenn er etwa das Netzwerk Facebook als den „Jopi Heesters“ unter den sozialen Netzwerken bezeichnet: oftmals totgesagt, aber trotzdem unsterblich. Wer Johannes „Jopi“ Heesters nicht kennt: Das war ein Schauspieler und Sänger, der von 1924 bis 2011 die Bühne, den Volksempfänger, das Schwarzweißfernsehen, Schallplatten, farbige Kinofilme und Fernsehshows belebt hat und 108 Jahre alt geworden ist; wäre TikTok bereits erfunden worden, hätte er dort vermutlich auch einen Account gehabt.
Neben guter Lektüre sind auch Podcasts Ihre Leidenschaft? Dann finden Sie in diesem Beitrag 22 Podcasts, die Comms- und Marketing-Profis kennen sollten.