Auf der VOICES 2023 in Berlin hatte meine Kollegin Tina Recknagel die Gelegenheit, mit acht Newsroom-Expert*innen zu sprechen:
- Michiel Bogaert, Team Lead Leadership and Dialogue Communications, Lufthansa
- Stefanie Stotz, Head of Communications and Cultural Development, Lufthansa
- Alexander Bilgeri, Vice President Communications Human Resources, Production, Purchasing und Sustainability, BMW Group
- Markus Schindler, Managing Partner, Pantarhei Advisors
- Annette Siragusano, Division Manager Corporate Communication, Otto Group
- Volker Knauer, Leiter External Relations, Sana Kliniken
- Oliver Santen, Head of Organisation und Communications, Bankenverband (bis August 2023)
- Andreas Offermann, Stellv. Abteilungsleiter Konzernkommunikation, Debeka
Bevor wir uns anhören, was diese erfahrenen Kommunikator*innen zum Thema zu sagen haben, sollten wir zunächst noch einmal klären, wovon wir hier überhaupt sprechen.
Was ist ein Corporate Newsroom?
Ein Corporate Newsroom ist ein Organisationsmodell für die interne und externe Unternehmenskommunikation und das Marketing. Ihm liegt ein themenzentrierter Ansatz zu Grunde, der eine bessere Orchestrierung von Themen, Botschaften und Kanälen ermöglicht. Seine Struktur aus Strategieteam, Chef*in vom Dienst (CvD), Themen- und Mediendesks sorgt für effiziente, klar definierte Prozesse bei der Planung, Produktion, Veröffentlichung und Analyse von Kommunikationsmaßnahmen.
Wenn das Thema Corporate Newsroom noch Neuland für dich ist, empfehle ich dir den Artikel „Was ist ein Corporate Newsroom?“.
Du hast die Newsroom-Basics schon drauf und willst endlich wissen, was die Profis sagen? Okay, dann los.
Ist der Corporate Newsroom ein Must-have für die Unternehmenskommunikation?
Hier waren sich alle Expert*innen einig: Ein Arbeiten ohne abteilungs- und kanalübergreifende, themenzentrierte Kommunikationsplanung können sie sich nicht mehr vorstellen. Welchen Namen man dem Kind gibt, spielt dabei keine Rolle. Egal ob Corporate Newsroom, Corporate Media House oder Content Hub – Mindset, Kultur und Prozesse sind entscheidend.
„Das Mindset ist ein Must-have und nicht zwingend die physische Umsetzung in Gestalt eines Redaktionsraums, der aussieht wie das Studio der Tagesschau.“
Markus Schindler, Pantarhei Advisors
Markus Schindler sprach damit ein Set-up an, das vielen Newsrooms zu Grunde liegt: die Kombination aus einem physischen und einem virtuellen Newsroom in Form eines Planungstools sowie einer themenzentrierten Arbeitsweise. Ersteres – der physische Redaktionsraum – ist dabei optional, die beiden Letztgenannten zwingend erforderlich.
Volker Knauer bestätigte dies. Der Newsroom werde häufig als architektonisches Konzept missverstanden. Dabei sei er vielmehr ein gedankliches Konzept. „Das kanalübergreifende Denken und Handeln ist entscheidend“, erklärte der Leiter der External Relation bei den Sana Kliniken.
Was die anderen Interviewpartner*innen auf diese Frage geantwortet haben, siehst du im folgenden Video:
Was sind die größten Vorteile eines Corporate Newsrooms?
Laut unserer Expert*innen sind die größten Vorteile eines Corporate Newsrooms:
- Transparenz
- Flexibilität beim Ressourceneinsatz
- Kompetenzbündelung
- Effizientere Prozesse
- Unterschiedliche Perspektiven auf ein Thema
- Schnelle Entscheidungen in Ad-hoc-Situationen
- Strategische Planung
- Orchestrierung von Inhalten und crossmediale Veröffentlichungen
- Konkludente Geschichten und einheitliche Botschaften
- Ganzheitliche Erfolgsmessung
Das Thema Transparenz steht dabei ganz oben auf der Liste und wurde von allen Interviewpartner*innen wortwörtlich oder implizit genannt. Denn wenn Stefanie Stotz (Lufthansa) vom „gemeinsamen Streben nach dem besten Ergebnis in der Kommunikation spricht“, setzt dies natürlich voraus, dass Planung, Produktion, Veröffentlichung und Analyse des Contents maximal transparent für alle Beteiligten ablaufen.
„Es ist wichtig, einheitliche Botschaften zu platzieren, sodass man sich nicht innerhalb der verschiedenen Kommunikationskanäle widerspricht.“
Andreas Offermann, Debeka
Dies führt zu einem weiteren mehrfach genannten Vorteil: Es werden keine widersprüchlichen Botschaften an die verschiedenen Zielgruppen gesendet, da sich alle Geschichten an einem Master-Narrativ orientieren.
Ein interessanter Aspekt, der laut Markus Schindler oft unterschätzt wird, ist die Einbindung der Mitarbeitenden als „Embedded Journalists“. So sei es möglich, die „Menschen im Unternehmen zum Teil der Geschichte zu machen und nicht nur zum Teil des Arbeitsprozesses“, was ungeheuer identitätsstiftend sei.
Und auch zu dieser Frage haben wir die ausführlichen Antworten für dich in einem Video zusammengeschnitten. Film ab!
Wie erschafft man eine Kultur der Kollaboration, in der alle Kommunikationsdisziplinen bestmöglich zusammenarbeiten?
Kollaboration über Abteilungsgrenzen und Standorte hinweg ist keine leichte Aufgabe. Die Strukturen und Prozesse in einem Corporate Newsroom können zu einer besseren Zusammenarbeit beitragen. Doch was sind die Erfolgsfaktoren?
Gleich mehrere Interviewpartner*innen betonten, dass das Unternehmen einen adäquaten Raum (physisch und virtuell) für Kollaboration schaffen müsse. Dies gehe immer mit einem Kulturwandel einher, der Fehler und Experimente zulasse.
Bei der operativen Umsetzung zeigten sich unterschiedliche Ansätze. Markus Schindler ist überzeugt: „Die Grundlage jedweder Kollaboration ist Freiwilligkeit.“ Das klingt bei Alexander Bilgeri (BMW Group) ein wenig anders, wenn er zugibt: „Man muss die Kolleginnen und Kollegen auch manchmal zur Kollaboration zwingen.“ Klare Ziele und Vorgaben, die von den Führungskräften durchgesetzt werden, sind seiner Meinung nach ein notwendiges Mittel.
Im Lufthansa-Newsroom können Personen mehrere Rollen gleichzeitig bekleiden, wie Michiel Bogaert und Stefanie Stotz berichten. Dieser Perspektivwechsel sorge dafür, die Bedürfnisse und Positionen der anderen besser zu verstehen.
Und jetzt heißt es wieder: zurücklehnen und das Antwortvideo anschauen.
Worauf muss man bei der Etablierung eines Corporate Newsrooms achten?
Der Erfolg eines Corporate Newsrooms hängt zu einem großen Teil von der Implementierungsphase ab. Sie ist ein nicht zu unterschätzendes Change-Projekt. Und daher fiel auch in unseren Gesprächen mehr als einmal ein Satz, der immer im Kontext von Change-Management zu hören ist: „Man muss alle Mitarbeitenden mitnehmen.“
Dies gelinge laut Alexander Bilgeri durch eine transparente Kommunikation zu den Zielen und Etappen sowie durch das Einholen von Feedback und Ideen in einer frühen Konzeptionsphase. Die Schwarmintelligenz sei hilfreich, aber: „Am Ende muss einer entscheiden, in welche Richtung es geht.“
Das „Mitnehmen“ erreiche man nur, wenn man sehr viel erklärt und einordnet, betonte Oliver Santen. Dabei müsse man immer wieder die Fragen beantworten: „Warum tun wir das? Was ist der Mehrwert?“
Wenn die Idee hinter dem Corporate Newsroom einmal verstanden ist, stehen Prozesse auf der Agenda. „Was sind die Kernprozesse der kommunikativen Tätigkeit? Welche Rollen gibt es dabei?“ Das sind laut Volker Knauer zentrale Fragen, die es im Implementierungsprozess zu klären gilt. Dem stimmte auch Annette Siragusano (Otto Group) zu, wenn sie sagt: „Es geht darum, Arbeitsabläufe zu optimieren.“
Denn letzten Endes geht es beim Corporate Newsroom in erster Linie um Folgendes: die bestmögliche Kollaboration, mit der ein integrierter Kommunikationsansatz zum Leben erweckt werden kann.
Weitere Tipps zur Einführung eines Corporate Newsrooms geben dir unsere Expert*innen im Video.
Unsere Interviews auf der VOICES 2023 zeigen deutlich, dass der Corporate Newsroom bzw. eine themenzentrierte, integrierte und kollaborative Kommunikationsorganisation ein Must-have für die moderne Unternehmenskommunikation ist. Von flexibler Ressourcennutzung über Transparenz bis hin zur Stärkung der Kollaboration bietet der Newsroom zahlreiche Vorteile. Mit einem kollaborativen Kulturwandel, einer klaren Implementierungsstrategie und den richtigen Tools können Unternehmen den Corporate Newsroom erfolgreich etablieren.
