„Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu gestalten.“ (Abraham Lincoln)

Unsere Welt ist laut. Ununterbrochen prasseln Informationen aus allen Richtungen auf uns ein. Wie können Unternehmen es schaffen, inmitten von diesem Lärm ihre Zielgruppen auf einer tieferen Ebene zu erreichen? Die Antwort liegt in der Kraft des Storytellings. Doch es geht nicht um eine x-beliebige Geschichte. Sondern um ein strategisches Narrativ – eine sorgfältig ausgearbeitete Vision, die zum Handeln inspiriert und die Zukunft formt.

In diesem Artikel erkläre ich dir, was ein strategisches Narrativ ist und warum es wichtig ist. Vor allem aber zeige ich dir, wie du noch heute damit beginnen kannst, eines zu entwickeln, um deinem Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Ein großartiges Beispiel für ein strategisches Narrativ findet sich im Bereich der Raumfahrt. Nach vielen Jahren der Stagnation investieren Milliardäre und ihre privaten Unternehmen massiv, um Raumfahrten sicherer und erschwinglicher als je zuvor zu machen.

Schauen wir uns die Vision Statements zweier führender Raumfahrtunternehmen an, SpaceX und Blue Origin.

Die Visions Statements von SpaceX und Blue Origin im Vergleich

Beide Unternehmen versuchen, die Zukunft der Raumfahrt zu gestalten. Doch sie haben zwei ziemlich unterschiedliche Vorstellungen davon, warum die Menschheit ins All reisen sollte.

Blue Origin träumt davon, der Erde durch Raumfahrt zu helfen und bindet seine Mission eng an unseren Planeten. SpaceX hingegen greift nach den Sternen, getrieben von der kühnen Vision, die Menschheit zu einer interplanetaren Spezies zu machen.

Welche Zukunftsvision fasziniert dich mehr?

Ich habe hier einen klaren Favoriten. Aber lass uns zunächst analysieren, was starke strategische Narrative ausmacht. Wir werden später auf dieses Beispiel zurückkommen.

Um diese Themen wird es im Artikel gehen:

  1. Was ist ein strategisches Narrativ?
  2. Geschichte vs. Narrativ – warum der Unterschied wichtig ist
  3. Ein einzelnes strategisches Narrativ vs. eine Konstellation von Narrativen
  4. Strategische Narrative und Nordstern-Narrative
  5. Warum sind strategische Narrative für Unternehmen wichtig?
  6. Wie definiert man strategische Narrative mit Narrativen Landkarten?
  7. Beispiel: SpaceX vs. Blue Origin

Als Mitgründer eines schnell wachsenden Unternehmens habe ich viele Jahre im Marketing und in der Kommunikation gearbeitet. Dabei ist meine Begeisterung für die Macht der Narrative stetig gewachsen. Deshalb habe ich über zwei Jahre lang zum Thema geforscht. Das Ergebnis ist ein Buch, das ich darüber geschrieben habe: „The Narrative Age“.

Mein Ziel mit diesem Artikel ist es, einige der wirkungsvollsten Konzepte aus dem Buch leicht zugänglich und verständlich zu machen. Ich freue mich sehr über Feedback, ob die Konzepte für dich funktionieren und was in Zukunft verbessert werden könnte.

Aber nun lass uns loslegen!

Was ist ein strategisches Narrativ?

Ein strategisches Narrativ ist eine gemeinsame Vision der Zukunft. Wenn es überzeugend genug ist, werden ihm immer mehr Menschen folgen. Letztlich wird es mehr sein als nur eine abstrakte Idee. Die Menschen beginnen, das strategische Narrativ so zu sehen, als existiere es bereits. Wie Peter Senge, Autor von „The Fifth Discipline“, schrieb: „Es gibt nur wenige Kräfte – wenn überhaupt – in menschlichen Angelegenheiten, die so mächtig sind wie eine geteilte Vision.“

Warum also nicht einfach von einer strategischen „Vision“ sprechen?

Das Konzept des Narrativs beinhaltet etwas Mächtigeres, als nur eine Vision des zukünftigen Zustands der Welt zu haben. Warum?

Im geschäftlichen Kontext ist das ultimative Ziel einer Vision nicht die Website deines Unternehmens, eine Unternehmenspräsentation oder ein gerahmtes Poster in der Eingangshalle. Es sind die Menschen, die das Unternehmen hinter einem gemeinsamen Ziel vereint.

Eine spürbare Vision zu schaffen bedeutet, die Denkweise der Menschen zu ändern – und wir wissen alle, wie schwierig das sein kann. Doch es gibt ein mächtiges Konzept, das helfen kann: Storytelling.

Was macht Geschichten so mächtig?

Geschichten spielen eine entscheidende Rolle in diesem Prozess. Sie bieten unserem Gehirn eine Abkürzung, um Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu verstehen, ohne potenziell gefährliche oder ressourcenintensive Situationen selbst erleben zu müssen. Das Gleiche gilt für eine Organisation und ihre Mitarbeitenden oder Kund*innen.

Mitarbeiter*innen hören sich Geschichten aktueller oder ehemaliger Mitarbeiter*innen an, um zu erfahren, ob es sich lohnt, Zeit und Energie in einen potenziellen Arbeitsplatz zu investieren. Kund*innen nutzen Foren oder Bewertungsseiten, um Geschichten und Erfahrungen über dein Produkt oder deine Dienstleistung zu lesen und zu entscheiden, ob es sich lohnt, sie zu kaufen, und so weiter.

Aber obwohl Geschichten mächtig sind, sind sie einzeln betrachtet zu taktisch und spezifisch, um eine langfristige Vision aufzubauen. Um die Kraft vieler individueller Geschichten zu konsolidieren, braucht es eine übergeordnete Ebene: ein Narrativ. So unterscheidet sich ein Narrativ von einer Geschichte.

Geschichte vs. Narrativ: Warum der Unterschied wichtig ist

Menschen verwenden oft „Geschichte“ und „Narrativ“ synonym, aber Storytelling und Narrative sind unterschiedliche Konzepte.

Narrative sind Muster, die sich aus mehreren Geschichten ergeben.

Geschichten und Narrative teilen gemeinsame Elemente. Das wichtigste ist ihre Grundstruktur: Sie haben einen Anfang, anschließend passiert etwas, und schließlich gibt es einen neuen Endzustand. Diese Struktur ist ungemein hilfreich, wenn du möchtest, dass Menschen einer Vision folgen. Es geht nicht nur darum, wohin man möchte (der Endzustand), sondern auch um die Reise dorthin.

Wie Narrative über Geschichten hinausgehen

Geschichten und Narrative unterscheiden sich in ihrem Abstraktionsgrad. Geschichten sind sehr spezifisch, während Narrative allgemeiner sind. Betrachten wir zum Beispiel die klassische Geschichte des Underdogs. Der Film „Rocky“ erzählt eine der berühmtesten Underdog-Geschichten aller Zeiten.

Rocky Balboa als Beispiel für den Unterschied zwischen Story und Narrativ

Anfang: Rocky Balboa, ein Boxer aus Philadelphia, kämpft mit den Schwierigkeiten des Lebens und seinen eigenen Selbstzweifeln, während er von einer besseren Zukunft träumt.

Mitte: Als sich ihm eine unerwartete Chance bietet, bereitet sich Rocky darauf vor, gegen den Schwergewichtsweltmeister Apollo Creed zu kämpfen, wobei er ein hartes Training absolviert, das seine Grenzen testet und sein Selbstvertrauen stärkt.

Ende: Rocky geht bis zum Ende des Kampfes, verliert knapp, gewinnt jedoch den Respekt des Publikums und beweist sich selbst, dass er das Zeug dazu hat, ein Herausforderer zu sein.

Das Narrativ hinter dieser Underdog-Geschichte könnte man so zusammenfassen:

Anfang: Der Underdog kommt aus bescheidenen Verhältnissen, belastet von Widrigkeiten, jedoch mit unerkanntem Potenzial.

Mitte: Durch Prüfungen und unermüdlichen Einsatz überwindet der Underdog Hindernisse und erfährt erhebliches persönliches Wachstum.

Ende: In einem hart erkämpften Finale endet die Reise des Underdogs mit einem moralischen Sieg, der die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes unterstreicht.

Autor*innen stellen Charaktere in Geschichten wie Rocky Balboa als Individuen mit einzigartigen Persönlichkeiten dar. Auf der Ebene des Narrativs werden diese Charaktere mehr als Typen von Menschen oder Gruppen dargestellt, wie zum Beispiel Underdogs.

Nachdem du nun den Unterschied kennst: Warum sollte man von einem strategischen Narrativ sprechen und nicht von einer strategischen Geschichte?

Weil nur Narrative die Kraft haben, eine Bewegung zu erschaffen.

Geschichten handeln meist davon, was anderen passiert ist. Rocky Balboa mag eine inspirierende Figur sein, die eine emotionale Verbindung herstellt, aber seine Geschichte wird nie zu deiner eigenen.

Ein Narrativ hingegen ist inklusiv – es kann zu deinem eigenen werden. Das Narrativ von Rocky kann dich dazu inspirieren, hart zu arbeiten und Erfolg zu haben. Vielleicht nicht als Boxer*in, aber vielleicht als Unternehmer*in. Während Geschichten von den Erfahrungen anderer Menschen handeln, laden Narrative uns alle ein teilzuhaben. Das macht Narrative so mächtig.

Schaubild zur Wechselwirkung von Narrativen und Geschichten

Fassen wir kurz zusammen:

Ein strategisches Narrativ ist eine Vision einer gewünschten Zukunft, auf die eine Organisation hinarbeitet. Es beinhaltet nicht nur einen Endzustand, sondern konzentriert sich auf die Reise. Mehrere Geschichten tragen zum selben Narrativ bei und formen ein Muster, anstatt es auf eine einzelne spezifische Geschichte zu beschränken.

Ein einzelnes strategisches Narrativ vs. eine Konstellation von Narrativen

Als Organisation möchtest du ein strategisches Narrativ in den Köpfen deiner Stakeholder*innen aufbauen. Sollte dieses Narrativ jedoch für alle gleich sein – Mitarbeitende, Kund*innen, Investor*innen und die Öffentlichkeit? Die eindeutige Antwort lautet: Es kommt darauf an.

Ein kleines, aufstrebendes Unternehmen hat in der Regel nur ein einziges Narrativ. Die Gründungsidee muss lediglich bei der Gruppe der Gründer*innen, den ersten Kund*innen und Investor*innen Anklang finden. In dieser Phase und während das Unternehmen bis zu einem bestimmten Punkt wächst, kann ein einziges strategisches Narrativ ausreichen.

Zum Beispiel begann Google mit der Idee, die Internetsuche zu revolutionieren. Nur wenige Jahre nach seiner Gründung erlebte das World Wide Web eine Explosion an Informationen. Googles Kernidee war es, das Wissen der Welt zugänglicher zu machen. Dieses strategische Narrativ reichte aus, damit das Unternehmen durchstarten konnte.

Mit zunehmendem Wachstum und Einfluss von Organisationen wird es jedoch notwendig, mehrere Narrative zu entwickeln, um die spezifischen Bedürfnisse unterschiedlicher Zielgruppen anzusprechen.

Googles Wachstum und die zunehmende Marktmacht begannen viele Menschen zu beunruhigen. Daher benötigte Google ein Narrativ, das der Öffentlichkeit versicherte, dass seine Mission immer noch mit den eigenen Werten übereinstimmt und es nicht zu einer monopolistischen Bedrohung wird. Hier kommt das Narrativ „Don’t be evil“ ins Spiel. Dies ist ein Beispiel für mehrere Schlüssel-Narrative von Google, die zusammen eine Konstellation strategischer Narrative bilden.

Schaubild zur Konstellation strategischer Narrative am Beispiel von Google

Ein weiteres Beispiel ist die wachsende Notwendigkeit, im Laufe der Zeit die Gesamtvision – den „Nordstern“ des Unternehmens – von einem Wert-Narrativ zu trennen. Wenn eine Organisation mehr Kund*innen anzieht, sind diese möglicherweise weniger an der langfristigen Vision interessiert, sondern eher am kurzfristigen, unmittelbaren Nutzen, den sie aus den Produkten und Dienstleistungen ziehen.

Ein Beispiel hierfür ist etwas, das wir selbst bei Staffbase erlebt haben. Unser langfristiges strategisches Narrativ ist es, die erste End-to-End-Kommunikationsplattform zu entwickeln, die Unternehmen und Kommunikationsfachleute dabei unterstützt, für ihr Business höchst wirkungsvoll zu sein. Viele unserer Kund*innen beginnen jedoch nur mit einem einzigen Kanal, wie einer Mitarbeiter-App oder einem E-Mail-Newsletter. Während sie an der langfristigen Vision interessiert sind, ist ihnen der unmittelbare Nutzen für ihre Arbeit viel wichtiger. In diesem Fall ist eine Kombination aus beiden Narrativen erforderlich.

Kurz gesagt: Neue Unternehmen oder Start-ups haben oft eine einfache Art, ihre Vision zu beschreiben, und konzentrieren sich daher auf ein strategisches Narrativ, das sie allen Stakeholder*innen kommunizieren. Mit zunehmendem Wachstum der Organisation wird es jedoch immer wichtiger, spezifischere Narrative für unterschiedliche Zielgruppen zu entwickeln. In diesem Zusammenhang kann ein strategisches Narrativ als eine Gruppe von Schlüssel-Narrativen verstanden werden, oft als „Konstellation“ von Narrativen bezeichnet.

Strategisches Narrativ und Nordstern-Narrativ

Wenn eine Organisation noch kleiner ist und nur mit einem einzigen Narrativ arbeitet, kann man sagen, dass das strategische Narrativ und das Nordstern-Narrativ im Wesentlichen dasselbe sind. Der Fokus liegt auf der Vision und Mission des Unternehmens – dem Grund, warum es existiert.

Eine starke Organisation hat immer ein Ziel, etwas Verheißungsvolles und Neues, das Mitarbeitende, Kund*innen und Investor*innen anzieht. Wenn der Fokus auf einem einzigen strategischen Narrativ liegt, wird es wahrscheinlich auch Elemente eines Wert-Narrativs enthalten. Dieses einzelne strategische Narrativ ist also eine Mischung aus einem Nordstern-Narrativ, einem Wert-Narrativ und möglicherweise weiteren Elementen.

Vergleich eines einzelnen strategischen Narrativs und einer Konstellation von Narrativen

Mit dem Wachstum der Organisation und der Entwicklung weiterer Narrative für spezifische Zielgruppen macht es Sinn, die Mission und Vision weiterhin im Kern all dieser strategischen Narrative zu bewahren. In diesem Fall ist das Set strategischer Narrative breiter gefächert, aber im Kern steht das Nordstern-Narrativ.

Man kann davon ausgehen, dass dieses Nordstern-Narrativ besonders überzeugend für Mitarbeitende zur Ausrichtung und Orientierung ist, ebenso wie für Investor*innen, die idealerweise eine langfristige Vision und Interesse an der Organisation haben. Kund*innen hingegen konzentrieren sich stärker auf Wert- und Marken-Narrative, während die allgemeine Öffentlichkeit verstärkt auf ESG-Narrative (Environmental, Social, Governance) achtet.

Warum sind strategische Narrative für Unternehmen wichtig?

Beginnen wir mit einem einfachen Beispiel. Schau dir den Preis dieser Louis-Vuitton-Tasche an.

Eine Tasche von Louis Vuitton für 2550 Dollar im Warenkorb eines Online-Shops

Warum zahlen Menschen zwischen 2.000 und 40.000 Euro für Louis-Vuitton-Taschen, wenn die Herstellung im Durchschnitt zwischen 200 und 800 Euro kostet? Louis Vuitton hebt den Preis um bis zu 2.000 Prozent an, was bedeutet, dass Kund*innen Tausende von Euro im Wesentlichen nicht für das Produkt an sich zahlen, sondern für – ein Narrativ!

Für Louis-Vuitton-Kund*innen ist jeder Kauf nicht nur eine Transaktion. Er ist eine Einführung in ein geschichtsträchtiges Erbe. Eine der wichtigsten Stärken eines Narrativs kommt hier zum Tragen. Denk daran: Eine Geschichte handelt hauptsächlich von anderen Menschen, aber ein Narrativ ist inklusiv. Das macht es möglich, Teil der Bewegung zu werden. Ich kann eine Louis-Vuitton-Ledertasche oder eine Tiffany-Halskette kaufen und mir damit ein Stück Geschichte und ein Statussymbol aneignen. Der Kauf eines Luxusguts ist eine Investition in eine visionäre Vorstellung von uns selbst.

Die Reputation von Louis Vuitton wird durch eine Reihe von Narrativen genährt: die Designsprache, die Materialien, die Geschäfte, die Prominenten und Influencer*innen, die die Taschen besitzen, und so weiter. Narrative bauen die Reputation einer Organisation oder Person auf.

Schaubild zur Beziehung von Geschichten, Narrativen und  Reputation

Narrative ermöglichen es Organisationen, ihren Ruf aktiv zu beeinflussen. Indem sie einen kohärenten Kontext zu einzelnen Geschichten bereitstellen, verknüpfen Narrative diese miteinander und schaffen ein größeres, verständlicheres Bild der Organisation. Der Vorteil beschränkt sich nicht nur darauf, höhere Preise für Luxusgüter verlangen zu können – ein großartiger Ruf wird bei allen Stakeholder*innen positiv ankommen, wie diese Zahlen des USC Annenberg Center for Public Relations belegen.

Statistiken der USC Annenberg zur Relevanz von Reputation unter Mitarbeitenden, Kund*innen und Investor*innen

Wie definiert man strategische Narrative mit einer „Narrativen Landkarte“?

Das wichtigste Merkmal eines erfolgreichen strategischen Narrativs ist, dass es zur bestehenden Weltsicht deiner Zielgruppen passt und bei ihnen Anklang findet. Während meiner Recherchen zu Narrativen für mein Buch bin ich auf viele verschiedene Arten bestehender Überzeugungen gestoßen, die eine Zielgruppe haben könnte, und ich habe nach einer einfachen Möglichkeit gesucht, all diese Narrative in einem Modell zu verorten. Das Ergebnis ist die „Narrative Landkarte“.

Hier ist ein konkretes Beispiel, wie eine Narrative Landkarte erstellt und verwendet werden kann, um ein strategisches Narrativ aufzubauen.

Im Jahr 2015 standen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) vor einer Herausforderung. Trotz zahlreicher Marketingkampagnen blieb die Stimmung zur Nutzung der BVG negativ. Fast 47 Prozent der Kund*innen sagten, dass sie es hassten, mit der BVG zu fahren.

Mehrere Trams der Berliner Verkehrsbetriebe BVG

Doch die Dienstleistung des Unternehmens zu ändern, war keine einfache oder kurzfristige Option. Busse steckten wie jedes andere Fahrzeug im Verkehr fest, und die Bestellung eines neuen U-Bahn-Wagens konnte bis zu sieben Jahre dauern. Das Problem wurde durch das zunehmende Verkehrsaufkommen der schnell wachsenden Stadt weiter verschärft.

Statt sich ausschließlich auf Serviceanpassungen zu konzentrieren, musste die BVG in die Veränderung der öffentlichen Wahrnehmung investieren.

Um ein neues Wert-Narrativ für die BVG zu schaffen, werfen wir einen Blick auf die Narrative Landkarte. Sie unterscheidet vier grundlegende Typen von Narrativen entlang zweier Dimensionen. Dies dient als Grundlage für das Sammeln bestehender Narrative und für die strategische Überlegung, wie ein neues Narrativ am besten in diese etablierte Landschaft passt.

Die Narrative Landkarte der BVG im Jahr 2015

Das Ergebnis war eine Kampagne namens „Weil wir dich lieben“, die darauf abzielte, die Nutzung der BVG in Berlin wieder modern und „in“ zu machen.

Die Strategie bestand darin, Botschaften zu entwickeln, die selbstkritisch waren und mit der weit verbreiteten Wahrnehmung spielten, dass Berlin zwar lebenswert, aber manchmal auch etwas dysfunktional ist.

Beispielsweise kommentierte die BVG, als Ringo Starr ein Konzert in Berlin gab:

„Ringo Starr spielt heute in Berlin. Endlich ist jemand in der Stadt, der noch schlechter den Takt halten kann“

Ein weiteres Beispiel bezog sich auf die Frustration, die ungeduldige BVG-Kund*innen mit den Ticketautomaten hatten:

BVG-Plakat mit Anspielung auf den Film Terminator 6 und den Kampf mit Fahrkartenautomaten

Diese Art von Botschaften, die sich durch ihre Kampagnen zogen, traf bei den Berliner*innen ins Schwarze. Die BVG gestand ihre Schwächen ein, hielt den Kund*innen aber auch auf humorvolle Weise den Spiegel vor.

Das übergreifende Narrativ, das die BVG förderte, lautete:

„Wir sind wie Berlin. Wir sind vielleicht nicht perfekt, aber wir sind echt, liebenswert und beständig in unserem Engagement. Jeden Tag, bei jedem Wetter, sind wir für dich da.“

Durch die Ausrichtung auf den authentischen Berliner Geist gelang es der BVG, die Lücke zwischen Serviceerwartungen und der inhärenten Narrativen Landkarte der Stadt zu schließen.

Die Ergebnisse waren erstaunlich. Vom Net Promoter Score von -10 stieg die BVG auf +18. Diese Veränderung war nicht nur in Zahlen, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung quer durch alle Altersgruppen spürbar. Die Ticketverkäufe stiegen, wobei die Wachstumsrate der BVG doppelt so hoch war wie die der Stadt. Dieser Erfolg wurde nicht nur auf den Service zurückgeführt, sondern auch auf die Kampagne.

Und sie hatte nicht nur Auswirkungen auf die Kund*innen. Auch für die BVG-Mitarbeitenden hatte die Kampagne einen erheblichen Einfluss. Die Mitarbeitenden waren stolz, mit dem Unternehmen assoziiert zu sein, und das Marketing schien für sie ebenso wie für die Kund*innen gemacht zu sein. Die Kampagne stärkte die Arbeitgebermarke und erhöhte die Anzahl der Bewerbungen deutlich.

Die Reise der BVG von einer negativ wahrgenommenen öffentlichen Dienstleistung zu einer geliebten Marke in Berlin unterstreicht die Macht, die eine Sentiment-Analyse der Zielgruppen mit einer Narrativen Landkarte haben kann, und zeigt, wie ein strategisches Narrativ mit passender Botschaft Kund*innen inspiriert und das Image der BVG transformierte.

Beispiel: Das strategische Narrativ von SpaceX vs. Blue Origin

Blue Origin und SpaceX unterscheiden sich nicht nur in ihrer Vision, sondern auch in ihrer kommerziellen Herangehensweise und Kultur. Diese Unterschiede führen dazu, dass eines der beiden Unternehmen deutlich besser mit der aktuellen und aufkommenden Narrativen Landkarte der Raumfahrt harmoniert.

Bislang hat sich Blue Origin sehr auf den Weltraumtourismus konzentriert. Es können bis zu sechs Menschen an die Grenze zwischen Erdatmosphäre und Weltraum gebracht werden, wo sie etwa 10 Minuten Schwerelosigkeit erleben – für rund 1,25 Millionen US-Dollar pro Sitzplatz.

SpaceX ist deutlich weiter.

SpaceX bietet ebenfalls Weltraumtourismus an, doch ihr Hauptantrieb für Starts ist Starlink, ein satellitenbasiertes Hochgeschwindigkeitsinternet für Menschen in abgelegenen und ländlichen Regionen auf der ganzen Welt. Bisher sprechen die Anzahl erfolgreicher Starts und die Komplexität der durchgeführten Missionen für SpaceX. Trotz der Tatsache, dass SpaceX zwei Jahre später gegründet wurde, hat das Unternehmen einen großen technologischen Vorsprung gegenüber Blue Origin erreicht.

Der amerikanische theoretische Physiker Michio Kaku argumentierte, dass SpaceX einen „enormen Vorsprung“ gegenüber Blue Origin in Bezug auf die Weltraumforschung habe: „Es ist nicht Kopf an Kopf, wie es die Medien gerne darstellen würden, der Kampf der Milliardäre. SpaceX hat einen enormen Vorsprung gegenüber Blue Origin. Sie sind mehrfach um die Erde geflogen, sie gehen zur Raumstation. Also nichts von wegen „für drei Minuten hoch und dann wieder runter“. Nein, wir sprechen jetzt vom Mond.“

Blue Origins Vision verpasst den Anfang des Narrativs

Erinnern wir uns daran, dass ein Narrativ eine Grundstruktur von Anfang, Mitte und Ende hat. Es nimmt uns mit auf eine Reise vom Status quo über ein katalysatorisches Ereignis hin zu einem neuen Normalzustand. Viele Visionen, die es nicht schaffen, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln, haben verschwommene Ziele, wie etwa „Marktführer werden“. Aber auch der Anfang einer Geschichte erfüllt eine sehr wichtige Aufgabe: Er lässt uns mitfühlen. In den Worten der professionellen Geschichtenerzählerin und Coach Kindra Hall:

„Eine schlechte Geschichte hat eine einzige, prägende Eigenschaft. Sie lässt uns kalt. Selbst die schillerndsten Farben, das größte Budget oder die süßesten Welpen können uns nicht berühren. Zum Glück lässt sich die Ursache für diese Trennung meistens auf einen einzigen Fehler zurückführen, nämlich das Fehlen des ersten Teils der Geschichte: des Normalen.“

Die Vision von SpaceX berührt uns, weil uns der Anfang der Geschichte bewusst ist: Menschen haben nie einen Fuß auf einen anderen Planeten gesetzt. Wir sind vor Jahrzehnten ein paar Mal auf dem Mond gelandet, aber um wirklich damit zu beginnen, unser Sonnensystem zu erobern, müssen wir zu einem anderen Planeten reisen. Dies ist der Anfang der Geschichte. Es wird in der Vision von SpaceX nicht ausdrücklich erwähnt, aber das liegt daran, dass es allgemeines Wissen und Teil der bestehenden Narrativen Landkarte ist.

Vergleiche das mit der Vision von Blue Origin: Was ist der Anfang der Geschichte hier? Wird die Raumfahrt zum ersten Mal zum Wohle der Erde genutzt? Es gibt bereits Tausende von Satelliten, die die Erde umkreisen und unsere Kommunikation, Wetterdaten, Navigation und Echtzeitbeobachtung verbessern. Nichts davon ist neu. Die Vision von Blue Origin ist nicht nur vage in Bezug auf das Ziel oder das Ende der Geschichte. Sie verpasst auch den Anfang, die Herausforderung, die uns berührt.

Eine großartige Vision verbindet die Gegenwart mit der Zukunft und benötigt daher die Struktur eines Ausgangszustands, eines Katalysators und eines aspirativen Endzustands, mit dem wir uns identifizieren und den wir uns vorstellen können.

Die Narrative Landkarte

Werfen wir einen Blick auf die Narrative Landkarte der Raumfahrt und wie sie zu Blue Origins Ansatz passt:

Die Narrative Landkarte von Blue Origin

Und hier ist die gleiche Analyse für SpaceX:

Die Narrative Landkarte von SpaceX

Insgesamt passt SpaceX deutlich besser zur Narrativen Landkarte. Beide Unternehmen wurden von ikonischen Unternehmern gegründet und zeigen, dass private Initiative und Innovation das traditionelle Modell der zentralisierten, staatlich gelenkten Raumfahrt herausfordern können. SpaceX schreitet mit seiner überzeugenden Vision und den Geschichten voran, die sich mit den mächtigen und tief verwurzelten Haupt-Narrativen von Erforschung, Erlösung und Überleben als Spezies verbinden.

Ist das subjektiv? Natürlich. Aber betrachten wir die Meinung einer Gruppe, die die besten Einblicke in beide Unternehmen hat: die Mitarbeitenden. Glücklicherweise sind auf Glassdoor Daten verfügbar, einer Plattform, auf der Mitarbeitende öffentliches Feedback zu den Unternehmen geben, in denen sie arbeiten. Hier ist ein Vergleich dreier wichtiger Dimensionen.

Vergleich der Bewertungen von Blue Origin und Spacex durch Mitarbeitende auf der Plattform Glassdoor

Basierend auf diesen Zahlen scheint SpaceX ein Arbeitsplatz zu sein, an dem die Mitarbeitenden ziemlich zuversichtlich sind, dass das Führungsteam das Unternehmen in eine positive Zukunft führen wird, wobei der bemerkenswerte Nachteil das geringere Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben ist.

Blue Origin bietet im Vergleich ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben, was sich auch in vielen der individuellen Bewertungen widerspiegelt. Die Bewertungen zur Führung und die Zukunftsaussichten sind jedoch im Vergleich zu SpaceX deutlich niedriger.

Derzeit hat Blue Origin Schwierigkeiten, mit seiner Vision positiv an die bestehende Narrative Landkarte anzuknüpfen. Es ist immer noch ein sehr attraktiver Arbeitgeber, insbesondere angesichts der deutlich besseren Work-Life-Balance der Mitarbeitenden, aber SpaceX ist insgesamt wahrscheinlich der attraktivere Arbeitgeber, insbesondere für Talente mit einem starken Wachstumsdenken. Langfristig könnte dies den Wettbewerbsvorteil, den SpaceX heute hat, weiter ausbauen.

Blue Origins Chance liegt in der Sicherung von Aufträgen wie denen, die von der NASA vergeben wurden. Dies könnte neue Möglichkeiten bieten, die Vision besser mit der Narrativen Landkarte zu verbinden und Geschichten über den Weltraumtourismus hinaus zu erzählen. Beispielsweise würde eine angepasste Vision von „Zum Wohle der Erde“ zu „Den Weltraum erkunden, um die Erde zu schützen“ bereits eine Verbindung zum Explorations-Narrativ herstellen und deutlich machen, dass die Unterstützung unseres Planeten mit Erkenntnissen und Ressourcen aus dem Weltraum nicht nur ein nettes Extra ist, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Plans, um der Menschheit zu ermöglichen, auf unserer blauen Heimat zu überleben und zu gedeihen.

Jetzt bist du dran. Wie wirst du ein strategisches Narrativ entwickeln, das nicht nur dein Unternehmen formt, sondern auch diejenigen inspiriert, die um dich herum sind, an eine Zukunft zu glauben, die es wert ist, aufgebaut zu werden?

Mehr über strategische Narrative

Wenn dir das, was ich heute über strategische Narrative geteilt habe, gefallen hat, dann möchte ich dich ermutigen, dir ein Exemplar von „The Narrative Age“ zu besorgen, in dem du noch viel mehr über die Macht der Narrative lesen kannst. Du kannst mir auch auf LinkedIn folgen, wo ich gerne Gespräche und Diskussionen über den Einfluss von Narrativen in modernen Organisationen führe, beispielsweise darüber, wie man den Einfluss von Narrativen in der modernen Geschäftswelt misst. Abschließend möchte ich dich ermutigen, dir Staffbase Mission Control anzusehen, um noch mehr darüber zu erfahren, wie du die Wirkung von Kommunikation koordinieren und vorantreiben kannst.