Der Newsroom wird gerne als Geheimwaffe oder Allheilmittel für Kommunikations- und Marketingabteilungen gesehen. Richtig eingesetzt und auf die Bedürfnisse der damit arbeitenden Personen sowie das Unternehmen abgestimmt, ist der Newsroom ein sehr wirkungsvolles Tool.
Aber mit der Einführung alleine ist noch kein Krieg gewonnen. Nach der erfolgreichen Einführung eines Newsrooms in einer Kommunikations- und/oder Marketingabteilung fängt die eigentliche Arbeit erst an. Die Erfahrungen des voestalpine-Konzerns zeigen, dass der Newsroom – wie auch die Kommunikation selbst – einem stetigen Wandel unterworfen ist. Die Kommunikationsabteilung der voestalpine arbeitet schon seit mehreren Jahren in einem Newsroom zusammen. Der Stahl- und Technologiekonzern befindet sich nun in der vierten Evolutionsstufe.
Dieser Gastartikel von Stephanie Bauer ist in der fünften Ausgabe des Magazins Corporate Newsroom erschienen.
Evolutionsstufe #1 – Die Anfänge (2011 bis 2015)
Erstmalig beschäftigte sich voestalpine 2011/12 mit dem Terminus „Newsroom“. Ursprünglich war dieser bei der Chefin vom Dienst des Mitarbeitermagazins angesiedelt, da dieses zum damaligen Zeitpunkt der „Single Point of Content“ war. Die Informationen aller vier Divisionen (Steel, High Performance Metals, Metal Engineering und Metal Forming) liefen dort zusammen.
Mit dem Aufkommen von Social Media und immer weiteren Medien, Plattformen, Kanälen, Devices und der schieren Themenvielfalt eines international tätigen Stahl- und Technologiekonzerns war eine Veränderung notwendig. Darüber hinaus machten externe Einflussfaktoren wie das geänderte Mediennutzungsverhalten eine Verlagerung des Schwerpunktes in die externe Kommunikation notwendig.
Die Herausforderung bestand damals wie heute darin, die große Themenvielfalt, die von zukunftsweisenden Technologien wie der CO2-freien Stahlherstellung durch Wasserstofftechnologie, dem 3D-Metalldruck (Additive Manfuacturing) über Entwicklungen im Bereich der E-Mobility bis hin zur Finanzmarktkommunikation reicht, in einer Art und Weise aufzubereiten, dass die Botschaften bei der Zielgruppe ankommen. Durchaus eine Herausforderung bei einem Unternehmen, das rund 49.000 Mitarbeitende in 500 Konzerngesellschaften und -standorten in 50 Ländern und auf allen 5 Kontinenten beschäftigt.
In den ersten Jahren konzentrierte sich die Konzernkommunikation daher darauf, die Themen, die sich aus dem Mitarbeitermagazin sowie im Pressebereich ergaben, zu sammeln und auch auf anderen Plattformen zu übernehmen.
Evolutionsstufe #2 – Newsroom 2.0 (2015 bis 2017)
Ab 2015 verlagerte sich der Fokus von der internen auf die externe Kommunikation. Aus diesem Grund war eine Änderung innerhalb der Zusammenarbeit notwendig. Der „Newsroom 2.0“ war geboren – in dem Wissen, dass die kommunikativen Herausforderungen der Zukunft nur dann bewältigt werden können, wenn die Zusammenarbeit so effizient und effektiv wie möglich gestaltet wird.
Mit der Einführung eines Newsrooms, ähnlich wie ihn damals Siemens & Co. betrieben hatten, schaffte es die Kommunikationsabteilung, einen Überblick über alle geplanten, laufenden und vergangenen Aktivitäten und Maßnahmen zu behalten, zu koordinieren und zu integrieren und eine ausgewogene und einheitliche Kommunikation über alle Zielgruppen, Plattformen, Medien und Kanäle zu ermöglichen.
Während 2011 bis 2015 der Fokus noch stark auf den einzelnen Kanälen lag, verlagerte sich mit dem neuen Konzept die Sichtweise. Im Zentrum standen nun mehr die Themen und nicht die Kanäle oder Einzelmaßnahmen. Verfolgt wird seitdem ein Cross-Media-Publishing-Ansatz, der dazu dient, die richtigen Zielgruppen mit den richtigen Botschaften auf den richtigen Plattformen zu erreichen.
Wichtig war der Zusammenschluss aller Kommunikationsdisziplinen (externe Kommunikation, Media Relations, Online und Social Media, Interne Kommunikation etc.) zu einer Newsroom-Redaktion. Dies bedeutet nicht, dass alle alles machen, aber alle arbeiten crossmedial und haben ein Grundverständnis dafür, wie andere Kanäle, Medien und Themen funktionieren. Vernetztes Denken aller ist dabei wesentlich.
Darüber hinaus werden das Verfolgen einer gemeinsamen Kommunikationsstrategie, Transparenz auf allen Ebenen, ein effizienter Ressourceneinsatz und mehr Qualität statt Quantität im Arbeitsalltag großgeschrieben.
Evolutionsstufe #3 – Newsroom 4.0 (2017 bis 2020)
Angelehnt an den Begriff „Industrie 4.0“ war es nur naheliegend, dass man sich als Industrieunternehmen bei der Namensgebung der dritten Evolutionsstufe daran orientierte. Allein auf Holding-Ebene bedient der voestalpine-Konzern um die 50 Medien und Kanäle – inklusive der Konzerngesellschaften erhöht sich diese Zahl auf 300.
Damit im Newsroom alle Prozesse reibungslos ablaufen, war es wichtig, Rollen und Verantwortlichkeiten zu definieren.
In dieser Konstellation behält die Editor in Chief den Gesamtüberblick und ist für die Weiterentwicklung des Newsrooms zuständig. Gemeinsam mit der Chefin vom Dienst stellt sie das Bindeglied zu den Content Managers, den Media Managers und dem Production Coordinator dar und ist für die Themenplanung, -steuerung und -kontrolle zuständig.
Die Content Managers stellen die inhaltliche Themenkompetenz dar und sind verantwortlich für die Bearbeitung eines Themas. Sie planen diese, legen Botschaften sowie die übergeordneten Ziele, Zielgruppen und Inhalte fest. Sie sind zuständig für die Recherche und die Umsetzung der Basis-Inhalte und sorgen für die notwendige Abstimmung.
Die Media Managers verantworten ein Medium, eine Plattform oder einen Kanal und sind für dessen strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung zuständig. Sie bereiten Inhalte kanal- und zielgruppengerecht auf.
Der Production Coordinator wickelt die redaktionelle Produktion von Bewegtbild, Grafik und Fotomaterial ab.
Drei Arten von Meetings helfen, die Themen lang-, mittel- und kurzfristig zu planen und im Auge zu behalten. Das Strategiemeeting beispielsweise legt die Jahresplanung, abgeleitet von der Kommunikationsstrategie, sowie die strategische Ausrichtung fest. Im zweiwöchentlichen Rhythmus werden Redaktionssitzungen abgehalten, in denen die Themenplanung und -aufbereitung stattfindet, Verantwortlichkeiten definiert sowie Ideen und Umsetzungen eingebracht werden. In den 15-minütigen „Pit Stops“, auch Morgenrunden genannt, werden tagesaktuelle Themen sowie Pressespiegel und Social Media Monitoring besprochen.
Evolutionsstufe #4 – Newsroom Reloaded (seit 2020)
Aber aufgepasst, auch wenn nun alle an einem Tisch sitzen und über alles Bescheid wissen, besteht die Gefahr, dass der Newsroom plötzlich von der Geheimwaffe zur Konfetti-Kanone wird.
Denn je mehr Themen und Inhalte aufkommen, desto mehr gibt es zu kommunizieren. Aber nicht jedes Thema ist für jede Zielgruppe und jeden Kanal sinnvoll. Ziel ist es, nicht nur gute Inhalte zu produzieren, sondern die komplette „User Journey“ mit den jeweils passenden Inhalten zu begleiten: Denn niemand wartet auf Corporate Content. Dieser muss ansprechend und auf die Erwartungen der Zielgruppe angepasst aufbereitet werden. Aus diesem Grund war es für uns notwendig, beim Newsroom noch an der einen oder anderen Stellschraube zu drehen.
Während im Konzept von 2015 und 2017 die Editor in Chief neben der klassischen CvD-Rolle noch die strategische Weiterentwicklung verantwortet hat, wurde im Konzept von 2020 diese Funktion auf zwei Rollen aufgeteilt: Head of Newsroom und Chefin vom Dienst.
Die Head of Newsroom ist für den Review sowie die Weiterentwicklung der Kommunikationsstrategie und des Newsroom-Konzepts zuständig. Sie ist für die Themenplanung, -steuerung und -kontrolle zuständig und gewichtet bzw. priorisiert die Themen. Die Chefin vom Dienst behält den Gesamtüberblick, ist das Bindeglied zwischen Themen- und Mediendesk, legt Deadlines und Verantwortlichkeiten fest, fordert die operative Umsetzung ein und leitet die Redaktionssitzungen.
Ein weiteres Augenmerk lag auf der Zusammenstellung von Content-Teams und der Zuordnung der Themen nach Schwerpunkten und Positionierungsfeldern. Die Umsetzung auf den Kanälen/Medien wanderte vom Media Manager zum Themendesk in die Content-Teams. Am Themendesk – bzw. in den Content-Teams – findet die inhaltliche Aufbereitung der Themen sowie die anschließende Publikation (inkl. Community-Management) statt. Der Themendesk setzt sich aus unterschiedlichen Content-Teams zusammen. Ein Content-Team besteht immer aus jeweils einer Person von Media Relations, dem Online- & Social-Media-Team, der internen Kommunikation und dem Brand Management.
Als Gegenpart zum Themendesk ist der Mediendesk für die Entwicklung der Strategie, die Auswahl, Pflege, Weiterentwicklung der Plattformen bzw. Medien und Erfolgskontrolle (Reporting) sowie das Listening zuständig. Die Rolle des Production Coordinators ist nun im Production Desk verankert. Dieser beschäftigt sich mit der Organisation und Abwicklung von Fotoshootings und Videodrehs, mit der Aufbereitung von Infografiken und Animationen sowie mit der generellen Produktion von Kommunikations-, Informations- und Marketingmaterial.
Stetiger Wandel
Jeder Newsroom ist anders und muss auf die Bedürfnisse, Themen und Zielsetzungen des jeweiligen Unternehmens angepasst werden. voestalpine steht mit dem „Newsroom Reloaded“-Konzept daher noch lange nicht am Ende. Die Kommunikation ist einem stetigen Wandel unterworfen und genau diesen gilt es, bestmöglich zu begleiten.
Es kommen neue Akteure, Medien, Kanäle und Nutzerverhalten hinzu, und an diese muss sich nicht nur die Art und Weise der Kommunikation, sondern auch die Zusammenarbeit der Kommunikationsabteilung anpassen.
Die Key Learnings
- Der Newsroom steuert sich nicht von selbst: Selbstverantwortung in der Informationsbeschaffung und -weitergabe.
- Partizipation & Teamwork are key: Alle ziehen an einem Strang und Commitment auf allen Ebenen ist unumgänglich.
- Großraumbüro & Newsticker sind nicht die Lösung, auch wenn es noch so schön aussieht und klingt. Primär geht es um die Prozesse und Zusammenarbeit.
- Ein Tool ersetzt nicht den persönlichen Austausch.
- Continuity is king, Flexibility is Queen.
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